KI-generierte Inhalte für Fans und TV-Sender

Kürzlich veranstaltete das DSHS (Digital Sports Hub Switzerland) eine Web-Konferenz zu neuen Technologien und ihrer Einsatzmöglichkeiten im Sport und Sportbusiness, zumeist im deutschsprachigen Raum. Das Sports.Tech.Forum. Insgesamt gab es 18 Vorträge, die häufig eine reine Produktvorstellung waren. Das muss per se nicht schlecht sein und interessante Aussagen waren über den Tag dennoch dabei. Unter anderem zum Thema Content von Clubs für Fans und TV-Sender.

Griessenboeck_058_tkAls Erster steuerte Lukas Kopfer, Projektmanager Market Research FanQ, mit seinem Vortrag Relevantes zum Thema Content bei. Wer von FanQ noch nie gehört hat: Kopfer und Kollegen haben eine App ins Leben gerufen, mit der sie Fußballanhängern über Votings mehr Gehör verschaffen will beziehungsweise sie gezielt zu bestimmten für Fans relevanten Themen abstimmen lassen. Anschließend wird mithilfe von für die Presse catchy Schlagwörtern versucht, die Ergebnisse dieser Votings breit in die Medien zu streuen. Inwiefern das eher Populismus ist oder doch seriöse Meinungsforschung, kann und will ich hier nicht beurteilen. Derartige Umfragen aber dann als „Studien“ zu vermarkten, ist dann aber doch bemüht aufgehübscht. Auch, wenn das andere Meinungsforschungsagenturen ebenfalls vielfach machen mögen.

Fans unzufrieden mit dem Content ihrer Clubs

Aber ich will hier nicht mit Haarspalterei langweilen und lieber von der neuesten Umfrage von FanQ auszugsweise berichten: Die Mehrheit der befragten Fussballfans wünscht sich mehr Content von ihren Clubs. Mehrere Beiträge pro Tag und pro Plattform. „Man kommt schnell an seine Grenzen, wenn man alle Kanäle mit hochwertigem Content bespielen will“, sagte Kopfer bei der Web-Konferenz. Insbesondere in der Pandemie hätten die Bundesligisten reagiert und neue Angebote geschaffen. Jedoch gab nur knapp ein Viertel der Fans an, dass sich das Angebot in den sozialen Medien ihrer Clubs verbessert habe. Informationsgehalt sei aus Sicht der befragten Fans weit relevanter als Entertainment-Content.

Heyden2_tkInformative Inhalte werden heutzutage oft mittels künstlicher Intelligenz (KI) in Echtzeit generiert. Andreas Heyden, CEO der DFL Digital Sports, nannte beim Forum ein paar Zahlen: „Wir sammeln Daten von über 10 000 Bundesligaspielen. 1000 Stunden Bewegt-Bild kommen jedes Jahr hinzu. 3,6 Millionen Datenpunkte werden pro Spiel generiert.“ Aus Bewegungsdaten der Spieler würden Prognosen für den weiteren Spielverlauf berechnet. So entstünden spannende Fakten für den Fan, die einen anderen Blickwinkel eröffnen. Und zudem für die Kreation neuer Storys sorgen.

Beispielsweise können sich die Experten und Kommentatoren von Sky oder DAZN dank der in Echtzeit mithilfe von KI gesammelten Daten darüber auslassen, wie zum Beispiel die Teams von der eigentlichen Taktik während des Spiels abweichen. Also dass ein Team zum Beispiel vom Trainer zwar für ein 4-4-2 aufgestellt wurde, in der Realität auf dem Platz davon aber nicht mehr viel zu sehen ist. Oder zumindest reichlich anders ausschaut, wenn man es grafisch auswertet, wo auf dem Platz die Spieler unterwegs waren. Diese als „Real-Formation“ bezeichnete Auswertung ist laut Heyden „unser bestes Tool. TV-Sender nutzen das gern beim Kommentieren. Das wird aber auch viel von Fans abgerufen“. Die Statistiken kommen auf den Plattformen und Kanälen der Bundesliga, in der Bundesliga-App sowie bei internationalen Ausstrahlungen zum Einsatz.

Aufbereitet und gesammelt werden die Daten vom Unternehmen Amazon Web Services (AWS), das seit Januar 2020 eine Kooperation mit der DFL eingegangen ist. Irgendwie hängt da auch noch das bayerische Unternehmen Deltatare mit drin. Wichtiger als das, erscheint mir aber die Frage, inwiefern das wirklich gelungene Datenanalysen sind. Das mit der Real-Formation mag an sich eine gute Idee sein, in der Praxis sieht es aber fast jedes Mal so aus: Die vom Trainer vorgegebene Formation verdichtet sich angeblich während des Spielgeschehens so sehr in die Mitte, dass die „Real-Formation“ aussieht, als würden fast alle Spieler mehr oder weniger auf einem recht kleinen Raum auf einem Haufen stehen. Mal steht dieser Haufen etwas weiter vorn und weg vom eigenen Tor, mal weiter hinten und näher beim eigenen Tor. Aber das eine Mannschaft mehr angreift und die andere stärker in die Defensive gedrängt wird, kann man locker auch ohne so eine KI-basierte Datenanalyse erkennen. Noch hat sich mir der große Nutzen der Realformation nicht erschlossen.

Typisches Beispiel, dass man viel machen kann, aber nicht sollte

Noch weniger sinnvoll erscheint die Sache mit den sogenannten „expected goals“ oder auch „XGoals“ genannt. Dazu die Erklärung der DFL:

„Das xGoals-Modell weist die Torerzielungs-Wahrscheinlichkeit für jeden Abschluss aus. Darüber hinaus erlaubt es, Aussagen zur Effizienz der einzelnen Spieler und Teams beim Torabschluss zu treffen, indem die aufsummierten Torwahrscheinlichkeiten im xGoals-Wert zusammengefasst werden. Die Torwahrscheinlichkeit wird hierbei nach jedem Torschuss in Echtzeit berechnet, sodass Informationen über den Schwierigkeitsgrad des Schusses und die Wahrscheinlichkeit eines Treffers vorliegen. Für die Berechnung werden zahlreiche Informationen aus dem Tracking der Positionsdaten herangezogen, unter anderem die Distanz und der Winkel zum Tor, die Bewegungsgeschwindigkeit des Schützen, die Zahl der Gegenspieler zwischen Ball und Tor und die Torabdeckung durch den Torwart. Grundlage für das xGoals-Modell sind historische Daten von rund 40.000 Torschüssen.

Wer möchte, für den gibt’s hier noch weitere offizielle Erklärungen.

Für mich ist das ein typisches Beispiel dafür, dass man mit neuer Technologie viel machen kann, aber längst nicht alles machen sollte. So ein Wert ist einfach zu erklärungsbedürftig und selbst mit einer Erklärung wie der obigen, fragt man sich als Fan von der Straße: Ja, und?!? Was soll mir das jetzt sagen? Dass statistisch gesehen, ein Fallrückzieher nur zu so und so viel Prozent Wahrscheinlichkeit ins Tor geht? Wen interessiert das? Sollen demnächst die Kicker auf dem Platz dafür von den Kommentatoren und Reportern gescholten werden, dass sie es gewagt haben ein Tor zu erzielen versucht haben, obwohl der X-Goals-Wert krass niedrig war? Derartige Statistik-Spielereien wirken weit weg vom wahren Geschehen auf dem Platz und von den Vorlieben europäischer und vor allem deutscher Fußballanhänger. Derlei Wahrscheinlichkeiten mögen in Ballsportarten wie Baseball oder American Football funktionieren, weil es dort immer wieder zu Unterbrechungen kommt, in denen Trainer und Sportler ihren nächsten Spielzug gründlich planen können. Bei Freistößen oder Elfmetern mögen solche Auswertungen auch im Fußball einen Sinn ergeben. Aber während des dynamischen, fließenden Spielgeschehens? Nein, da führt doch gerade der überraschende, gewagt erscheinende Weg oft zum Spiel entscheidenden Torerfolg.

KI-generierte Spieldaten sollten gezielt eingesetzt werden

Die Gefahr ist, dass Fußballfans von derlei unsinnig wirkenden Datenanalysen genervt werden und derlei als Zeichen, ja quasi als Symptom dafür sehen, dass der Profi-Fußball mehr und mehr zum Zirkus verkommt. Und der moderne Fußball nichts mehr mit dem Fußball zu tun hat, wie er früher „in den guten alten Zeiten“ mal war. Ja, genau die Fußball-Romantik-Keule. TV-Sender und DFL sollten zusehen, dass sie ihre neuen Spieldatenanalysen gezielter und überlegt einsetzen. So ist zum Beispiel die Analyse zu den schnellsten Spielern eines Matches sicher eine gute Zusatz-Info, die die Fans, aber auch Trainer, Manager und Spieler weit mehr interessieren wird, als dass das erzielte Tor nur eine Wahrscheinlichkeit von 33 Prozent hatte (wie auch immer das dann berechnet wurde, weiß doch so genau eh keiner).

(Bildquelle Foto Startseite: ESB)

 

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