Deutsche Fans müssen noch erzogen werden

Hui, was war das eine Aufregung! Der Bezahlsender Sky hatte sich doch tatsächlich erdreistet, ja, die Frechheit gehabt, einen Werbeclip während des Spitzenspiels der Bundesliga zu zeigen. Die Fan-Seele tobte, so einigen war den Schimpftiraden auf Twitter und Co. zufolge der Spaß am Spiel von Dortmund gegen Bayern München verdorben. Angeblich war es ein technischer Fehler. Vielleicht aber auch nicht. Das war passiert: Der rund 20 Sekunden dauernde Werbespot für einen Rasierer und Sponsor des FC Bayern wurde in der 65. Minute gezeigt, als es einen Abstoß gab und Mats Hummels für Niklas Süle ausgewechselt wurde: Das Spiel pausierte also, es passierte nichts mit dem Ball. Das jedoch konnten die Zuschauer an den Bildschirmen nicht sehen. Statt wie bei manchen Sportübertragungen schon des Öfteren geschehen, einen Splitscreen mit Werbung in einem größeren Fenster und zeitgleich in einem kleineren Fenster mit Live-Bildern einzusetzen, wurde das Live-Bild aus dem Dortmunder Fußballstadion komplett überblendet mit dem Werbefilm und irgendwelchen Ergebnissen von der Bundesliga-Mannschaften. Die wenigsten Zuschauer werden es so schnell noch während der 20 Sekunden registriert haben: Es waren alte Ergebnisse vom 9. Spieltag der aktuellen Bundesliga-Saison. Der TV-Sender entschuldigte sich umgehend bei den Zuschauern via Twitter: „Liebe Fußball-Fans, während der Übertragung BVB-FCB wurde aufgrund eines technischen Versehens das Spiel kurz durch einen Werbespot unterbrochen. Dies war unbeabsichtigt, und wir möchten uns in aller Form dafür bei Euch entschuldigen. Euer Sky Service Team.“ Freilich war es da bereits zu spät, Tausende Sky-Zuschauer hatten ihrem Ärger über Twitter und andere soziale Netzwerke Luft gemacht.

Interessanter Feldversuch

Wenn man etwas rumspinnen will, könnte man mutmaßen: Sky hat das nicht aus Versehen gemacht. Sie haben es nur so aussehen lassen, dass es ein Fehler war, indem sie einen Splitscreen mit alten Ergebnissen einblendeten. In Wahrheit war das ein Feldversuch von Sky, um zu testen, ob die Zuschauer sich darüber aufregen oder das vielleicht doch einfach so hinnehmen. Und wenn sie sich doch aufregen: Dann behauptet man einfach hinterher, es sei ein technisches Versehen gewesen – was die alten eingeblendeten Ergebnisse ja beweisen. Nach dem Motto, wir bei Sky sind ja auch nur Menschen.

Vorbild USA?

Ich selbst bin kein großer Freund von derlei (Verschwörungs-)Theorien. So oder so war es aber ein interessanter Feldversuch. Der deutlich zeigte: Zumindest bei einem Bezahlsender sind deutsche Fußballfans nicht bereit, komplette Überblendungen mit Werbespots während einer Live-Übertragung in Kauf zu nehmen. Das ist insoweit interessant, da ich nicht glaube, dass das noch lange so bleiben wird. In anderen Ländern wie zum Beispiel den USA ist es bei Sportübertragungen längst üblich, dass kurze Werbeblöcke eingeschoben werden und das Spielfeld währenddessen nicht zu sehen ist. Insbesondere beim American Football ist das so, wo es bei jedem Spiel immer wieder kleinere Unterbrechungen des Spielgeschehens gibt und der Ball dabei – wie bei der 20-sekündigen Werbepause bei Dortmund gegen Bayern – nicht gespielt wird. Die amerikanischen Zuschauer haben sich daran gewöhnt. Es regt sich niemand darüber auf. Obwohl sie auch dort wie die deutschen Zuschauer argumentieren könnten: Ich zahle für die Sportübertragung, somit will ich währenddessen keinerlei Werbung sehen.

Zuschauer könnten sich daran gewöhnen

Klar ist: Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat nicht ohne Grund Bestimmungen für Bewegtbildübertragungen von Bundesligaspielen, wonach unter anderem Werbeblöcke während eines Spiels verboten sind. Weil die deutschen Zuschauer noch nicht so weit sind. Noch wohlgemerkt. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich ja schon viel getan, was den Einsatz von Werbung bei Sportübertragungen betrifft, angefangen in den frühen Neunzigern als plötzlich nicht mehr die ARD, sondern der Privatsender Sat.1 in seiner Sendung „ran“ die Höhepunkte von den Bundesligaspielen zeigte – mitsamt einer Reihe von Werbeblöcken. Auch das war für viele deutsche Zuschauer ungewohnt. Hätte es damals soziale Medien wie Twitter gegeben, wäre sicher dazu einen Shitstorm durchs Land gefegt. Vielleicht aber auch nicht. Denn der Privatsender konnte die viele Werbung ja verargumentieren: Keine Gebührengelder, Werbung muss das Geld reinbringen. Aufgrund dieser Begründung haben auch die kritischen deutschen TV-Zuschauer die viele Werbung akzeptiert, wenn sie auch nicht geliebt wird. Zum auf die Toilette gehen, ist sie aber immer gern gesehen. Sie gehört einfach dazu. Genauso ist es in den USA und anderen Ländern wie etwa in süd- oder mittelamerikanischen Ländern, wo es schon seit Jahren sogar ziemlich irritierende virtuelle Werbung gibt mit Rasierern mitten auf der Spielfläche und ähnlichem Irrsinn. Dort gehört es für die Zuschauer einfach dazu, dass die Sender über Werbung versuchen, die horrenden Kosten für die Übertragungsrechte wenigstens teilweise zu refinanzieren. Selbst bei Bezahlsendern. Und auch in Deutschland gibt es mittlerweile weitaus mehr Werbeblöcke während Sportübertragungen als noch vor Jahrzehnten. Man siehe sich nur mal eine Live-Übertragung von Darts auf Sport1 oder Tennis bei Eurosport an. Sicher, das sind wieder Privatsender, die das Argument mit der einzigen Finanzierungsquelle Werbung ziehen können.

Konkurrenz könnte vermehrte Werbung einfacher rechtfertigen

Ich glaube aber, dass sich die deutschen Sportfans auch daran gewöhnen werden, dass selbst ein Bezahlsender wie Sky Werbeclips inmitten einer Sportübertragung zeigt – natürlich nur dann, wenn in dieser Zeit der Ball ruht. Ganz einfach, weil Sky in Zeiten von DAZN, Eurosport oder in Zunkunft vielleicht auch Amazon nicht mehr der einzige Bezahlsender in Deutschland ist und daher argumentieren kann, dass nur mit Werbung die horrenden Kosten für Sportübertragungsrechte, die durch den Konkurrenzkampf so teuer geworden sind, finanzierbar sind. Und mit weniger Werbung das Sky-Abo noch deutlich teurer sein müsste. Allein: Man muss die deutschen Zuschauer da schrittweise und sensibel heranführen. Ähnlich wie bei einem Kind, das man auch behutsam entwöhnen muss. Sonst fängt ganz schnell das Geplärre an.

Bildquelle: Screenshot Sky

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