Wie Wearables im Sportbusiness eingesetzt werden können
Die technologische Entwicklung ist bei den sogenannten Wearables rasant vorangeschritten. Dadurch ergeben sich zum Teil tolle, neue Anwendungsszenarien für Clubs, Verbände und Sponsoren. Auch Sportarten, die bislang im Schatten vom Fußball stehen, könnten profitieren, indem sie durch die neue Technik attraktiver für Fans und Zuschauer werden.Wer bei dem Wort „Wearable“ an so etwas wie Fitness-Tracker-Armbänder denkt, liegt richtig – und auch wieder nicht. Denn unter dem Begriff „Wearable“ sind nicht allein Fitness-Tracker von Herstellern wie Jawbone oder Fitbit zu subsumieren: Als Wearables gelten alle technische Geräte, die direkt am oder gelegentlich sogar im Körper getragen werden und zumeist mit Sensoren und Displays ausgestattet sind. Die bekanntesten Geräte sind neben den Fitness-Armbändern die Apple Watch und die Google Glass Brille.
Ein eher weit gefasster Begriff also, hinter dem sich eine Vielzahl an Geräten verbirgt. Und durch die technologischen Fortschritte, etwa bei Akkus oder Miniaturisierung, kommen immer neue Geräte hinzu. Mit unterschiedlichen Funktionen und Anwendungsbereichen.
Ein paar Beispiele: Der Ohrstecker „The Bitbite“ soll in der Lage sein, zu messen, was, wo und wieviel Nahrung ein Mensch zu sich nimmt. Besorgte Eltern wiederum können einen Strampler mit eingebautem Minicomputer kaufen, der die Temperatur, Atmung, Körperhaltung des Babys im Bettchen und dessen Bewegungsaktivität prüft und dies ans Smartphone der Eltern meldet. Für Ski-Fahrer stehen Schutz-Westen der Firma Dainese bereit, die sich bei einem Sturz versteifen. Und das Startup Motion Metrics hat einen Sensor entwickelt, der analysiert, was an der Körperhaltung des Ski-Fahrers nicht optimal war. All diese Geräte und noch mehr zählen zu der Gruppe der Wearables.
Sich einen Überblick über die Vielzahl der Wearables zu verschaffen und ihn zu behalten, ist nicht leicht. Selbst für einen Fachmann wie Christian Stammel, CEO der Wearable Technologies AG. „Seit ein paar Jahren hat das Tempo der Innovationen angezogen, Startups drängen auf den Markt und mittlerweile mischen auch große Unternehmen wie Samsung oder IBM mit“, sagt Stammel. Das Marktforschungsunternehmen International Data Corporation (IDC) prognostiziert für dieses Jahr 110 Millionen ausgelieferte Wearables weltweit. Im Vergleich zum Vorjahr wäre das ein Wachstum um 38 Prozent. Der Aufwärtstrend geht in den nächsten Jahren offenbar weiter: 2020 erwartet IDC einen Verkauf von 237 Millionen Wearables.
Andere Branchen experimentierfreudiger
Dass das alles nur ein Hype sein soll, glaubt Stammel nicht. Er ist überzeugt, dass die technologische Entwicklung viele Probleme lösen und das Potenzial der Wearables nicht genug ausgeschöpft wird. Insbesondere für die Sportbusiness-Branche sieht Stammel Nachholbedarf. „Andere Branchen haben schöne Ideen gefunden, etwa die Musikbranche. Vergleichbares sucht man im Sport bislang vergeblich“, sagt Stammel.
Bei Musikkonzerten werden bereits Bändchen mit Leuchtioden an die Besucher verteilt, wodurch eine farbige Lichtchoreographie mit den Bändern der Fans zustandekommen. Es gibt Bändchen für Musik-Festivals mit einer „Friend-Finder-Funktion“, mit denen Freunde leichter in Menschenmassen gefunden werden können. Und es fanden schon Konzerte statt, bei denen über ein Wearable mit Like-Button in Echtzeit abgestimmt werden konnte, ob dem Publikum der Song gefällt.
Diese Beispiele mögen auf den ersten Blick schwer auf den Sport übertragbar sein. So manches Mal gelingt aber auch der Transfer wie das folgende Video zeigt:
Die diversen Beispiele aus dem Nicht-Sport-Bereich machen deutlich, dass andere Branchen offenbar etwas mutiger oder kreativer hinsichtlich des Einsatzes von Wearables sind. Sportvermarkter, -Verbände und -Clubs sollten sich mit den neuen Möglichkeiten auseinandersetzen, um Ideen zu entwickeln. Dank des technologischen Fortschritts sind viele Geräte reif für den Massengebrauch – was auch heißt, dass die neue Technik nicht teuer sein muss: So existiert mit „Mi Band Pulse“ bereits ein Fitness-Tracker aus China für 12 Dollar. Dem Fan ein Wearable als werbewirksames Give-away in die Hand zu drücken, ist also finanziell machbar.
Somit könnte bei einem Marathon ein Sponsor gebrandete Fitness-Armbänder an die Teilnehmer verteilen, mit dem Hinweis: „Ihr könnt Euch Eure Lauf-Daten auf unserer Internetseite anschauen und Euch mit Freunden oder Profi-Läufern vergleichen.“ Der Sportartikelproduzent Under Armour hat mit solch digitalen Sport-Daten-Plattformen großen Erfolg und Nutzerzahlen von rund 120 Millionen.
Ideen für das Sportbusiness
Es gibt weitere Anwendungsszenarien für Wearables im Sportbusiness: In der Barclays Permier League hat der FC Southampton bereits Armbänder mit Bezahlfunktion benutzt. Auch in der Bundesliga sollte es in wenigen Jahren normal sein, dass Fans mit ihren smarten Uhren via NFC-Technologie schneller und bequemer ihre Bratwurst im Stadion bezahlen können.
Eine andere Idee entstammt der Entwicklung von smarten Pflastern, die bis dato vor allem im medizinischen entworfen wurden. Diese Pflaster werden den Patienten aufgeklebt und helfen, dessen Vitalwerte zu überwachen. Schon bald soll es zuverlässige „smart patches“ zum Daten-Tracking geben. Diese Wearables, die das Gleiche wie Fitness-Armbänder leisten sollen, hätten den Vorteil, dass sie keinerlei Verletzungsrisiko für einen Fußballspieler bei einem Zusammenstoß mit einem anderen Spieler darstellen. Ausgereift scheinen diese Pflaster aber ebenso wie smarte Trikots mit Sensoren zum Messen der Vital- und Leistungswerte der Athleten noch nicht zu sein.
Es gibt aber Alternativen, die ebenfalls kein Risiko für den Sportler bedeuten sollen: Die Major League Baseball (MLB) hat kürzlich das Tragen des „Zephyr Bioharness“ während regulärer Liga-Spiele erlaubt. Der Bluetooth-fähige Brustgürtel misst die Vitalwerte der Spieler und liefert damit Trainern wertvolle Erkenntnisse. In der Bundesliga benutzen bereits einige Teams das Konkurrenzprodukt von Polar. Insgesamt gibt es rund 30 Anbieter solcher Geräte. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) prüft den Einsatz derartiger Wearables im Spiel derzeit noch.
Was hat das mit Sportbusiness zu tun? Christian Stammel hat eine Antwort: „Mit solch einem Wearable könnte zum Beispiel die Herzfrequenz eines Spielers beim Elfmeter ermittelt werden. Das wäre doch eine spannende Zusatzinfo für den Zuschauer.“ Die Daten ließen sich vermarkten („presented by“), ähnlich wie die Geschwindigkeitsmessungen beim Tennis.
Nick Sohnemann, Gründer der Hamburger Innovationsberatungsfirma Futurecandy, strickt die Idee weiter: „Die Fans könnten sich anhand der gesammelten Daten mit den Spielern vergleichen – über eine Internetseite des Vereins, der dort seine Sponsoren einbindet“. Der Verein könnte zudem in eine direkte Interaktion mit seinen Fans einsteigen, meint Sohnemann: „Indem der Club seine Fans dazu motiviert, sich mehr zu bewegen. Und er Vergleichs-Wettbewerbe unter den Fans oder mit Fans anderer Teams veranstaltet.“ Also im Sinne von: Wer hat die fittesten Fans?
Um seine Anhänger dafür zu begeistern, könnte ein Club seinen Dauerkarten-Inhabern einen simplen – und damit günstigen – Fitness-Tracker quasi als Belohnung für seine Treue schenken. Und so die Kundenbindung stärken. Wearables ermöglichen mit anderen Worten neue Kundenbindungsprogramme.
Gerade für Sportarten, die bislang medial unter dem Radar der breiten Masse laufen, könnte die Live-Messung der Vitaldaten der Athleten eine Chance sein: Marathon oder Schwimmen wäre für die Zuschauer vor Ort und im Fernsehen sicher interessanter, wenn sie den Puls oder die Atemfrequenz der einzelnen Kontrahenten wüssten.
Ein Problem gibt es aber: Die Frage, welche Daten öffentlich gemacht werden dürfen. Ein Trainer dürfte wenig begeistert davon sein, dass der gegnerische Coach Kenntnis von der aktuellen körperlichen Schwäche einzelner Spieler oder Sportler hat. Fraglich ist zudem, ob die Veröffentlichung der Vitalwerte nicht zu sehr in die Persönlichkeitsrechte des Spielers eingreift.
Neue Perspektiven
Einen zusätzlichen Nutzen für den Sport-Fan könnten auch Brillen wie Google Glas bieten – auch sie gehören zur Gruppe der Wearables. Mithilfe solcher smarter Brillen könnte der Fan etwa während eines Fußballspiels Zusatzinfos zu bestimmten Spielern wie dessen Erfolgsquote bei Freistößen oder Elfmetern im Display angezeigt bekommen.
Wie solch smarte Brillen eingesetzt werden könnten, hat der Autoproduzent Mini gezeigt. Die BMW-Tochter hat im vergangenen Jahr eine Studie einer Datenbrille inklusive einiger Anwendungsszenarien vorgestellt. Sieht man zum Beispiel mit der Mini-Datenbrille ein Plakat, das für ein Konzert wirbt, meldet die Brille nach dem Scannen: „Sie können noch Karten für dieses Konzert bekommen.“ Die Informationen werden direkt ins Sichtfeld eingeblendet, ungefähr so wie bei einem Head-up-Display im Auto. Mit zwei Klicks auf den großen Knopf am Brillenbügel sind die Karten bestellt
Für einen breiten Einsatz scheinen Datenbrillen jedoch aktuell noch Zukunftsmusik zu sein. Der technologische Fortschritt ist dafür nicht weit genug.
Bereits einsatzbereit für den Massengebrauch ist dafür ein anderes Wearable, das an die überaus erfolgreichen Action-Kameras der Firma GoPro erinnert und die mediale Inszenierung von Sportereignissen bereichern könnte. Anfang März wurde bei einem Spiel in der kanadischen Frauen-Eishockey-Liga eine Helmkamera des kanadischen Startups U-HWK erfolgreich getestet. Die Kamera namens U-HWK Show kann 90 Minuten lang die Geräusche und die Sicht des Spielers mit einer 135-Grad-Weitwinkel-Kamera in HD-Qualität aufnehmen. So werden völlig neue Aufnahmen aus der Ich-Perspektive des Sportlers möglich. Welcher Fan würde nicht gern den tödlichen Pass oder das entscheidende Tor aus der Sicht des Spielers erleben? Getragen werden kann die Kamera nicht nur beim Eishockey, American Football oder Baseball, sondern auch beim Tennis, Fußball oder Basketball. Das sagt zumindest Hersteller U-HWK.
Damit es wirklich dazu kommt, müssten sich die Entscheider im Sportbusiness jedoch zunächst eingehend mit den Möglichkeiten von U-HWK Show und der vielen anderen Wearables auseinandersetzen. Es gilt kleine Wunderdinger und ihre Möglichkeiten zu entdecken.
Tobias Kuske
Ich habe diesen Artikel in einer etwas modifizierten Version für das Fachmagazin SPONSORs geschrieben.
(Quelle vom Foto auf der Startseite: Tony Hegewald/ Pixelio.de)
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