Beim Glücksspiel rennt die Politik weiter gegen die Wand
Nach Monaten des Stillstands ist Bewegung in das Thema Sportwetten gekommen. Zumindest ein bisschen. Die Bundesländer planen Änderungen vorzunehmen. Dass diese weiterhelfen, muss aber stark bezweifelt werden.
Die Ministerpräsidenten und ihre Helferlein haben es wieder getan: Anstatt Experten wirkliches Gehör zu schenken und einen Lösungsweg für das festgefahrene Lizenzierungsverfahren für Sportwetten zu beschreiten, soll sich fast nichts ändern. Am Konzessionsmodell bei Sportwetten soll nach dem mehrheitlichen Willen der Länder festgehalten werden, so Bremens Ministerpräsident Carsten Sieling (SPD) im Anschluss der Ministerpräsidenten-Konferenz Mitte März. Man will also weiter gegen die Wand fahren. Nur Hessen, Sachsen und Schleswig-Holstein waren für einen Neustart.
Eine Arbeitsgruppe solle in den kommenden Monaten eine „neue Philosophie“ entwickeln, fügte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Rainer Haseloff (CDU), an. Was das konkret heißt, wurde nicht ausgeführt. Dafür wurde verlautbart, dass der von Experten gelobte hessische Entwurf für eine Änderung des Glücksspielstaatsvertrags zwar angehört wurde, das aber „nicht der Weg ist, den wir gegangen sind“, so Sieling. Statt mit dem hessischen Entwurf eine Lösung vieler Probleme herbeizuführen beispielsweise durch die Gründung einer Bundesanstalt für Glücksspiel, soll es nun „minimalinvasive Eingriffe“ in den Glücksspielstaatsvertrag geben, sagte Haseloff. Auch auf Nachfragen wurde er nicht konkreter, außer dass nun Bayern und Nordrhein-Westfalen die Federführung übernommen hätten.
Die beiden Bundesländer hatten im Vorfeld der Konferenz Entwürfe ausgearbeitet wie das derzeit festgefahrene Konzessionsverfahren wieder in Gang gebracht werden könnte. Nicht im Entwurf, aber zumindest im Gespräch war die Zuständigkeit für die Lizenzen von Hessen nach Bayern zu verlegen – weil die Verwaltungsgerichte im Freistaat mehr im Sinne der Politik urteilen würden. Im Entwurf von Bayern steht, dass die 35 Sportwetten-Anbieter, die die Mindestanforderungen in der zweiten Runde des Konzessionsverfahrens erfüllt haben, in den kommenden Monaten eine vorläufige Lizenz erhalten. Aus Nordrhein-Westfalen kam der Vorschlag, die Begrenzung von 20 Lizenzen auf 40 oder 45 zu erhöhen.
Bei der Ministerpräsidenten-Konferenz sollen sich die Länder auf eine Anhebung auf 40 Lizenzen geeinigt haben. Das sieht nach einem politischen Kompromiss ohne wirkliche inhaltliche Begründung aus. Bayern hatte 35 Lizenzen vorgeschlagen, Nordrhein-Westfalen 45. Man traf sich offenbar wie auf dem Basar in der Mitte. Offiziell bestätigt wurde diese Zahl nicht.
Gutachten plädiert für Neustart
Wenn der Plan mit der Aufstockung tatsächlich stimmen sollte, wäre das eine weitere Absurdität in der Geschichte der Liberalisierung des deutschen Sportwettten-Marktes. Denn in einem Gutachten der Kanzlei CBH, das dem Verfasser dieses Textes vorliegt (hier der Link zu dem Gutachten) und das die Länder in Auftrag gegeben hatten, werden beide Entwürfe aus Bayern und Nordrhein-Westfalen als „nicht geeignet“ beurteilt. Mit ihnen könnte das blockierte Vergabeverfahren nicht zu „einem rechtssicheren Abschluss“ geführt werden. Eine Änderung der Anzahl an Lizenzen wäre eine nachträgliche Änderung der Vergabebedingungen und damit ein Verstoß gegen die Grundsätze des Vergaberechts. „Jeder Interessent, der nicht unter die 40/45 Konzessionsberechtigten gehört“, so heißt es im Gutachten weiter, könne sich juristisch mit der Argumentation wehren, „das Vergabeverfahren sei intransparent, somit defizitär und damit liege ein Verstoß gegen Art. 56 AEUV vor“.
Und weiter: Angesichts der Gerichtsverfahren in Hessen könne nicht davon ausgegangen werden, dass „das Vergabeverfahren innerhalb der vom Gesetzgeber vorgesehenen Experimentierphase bis zum 30.06.2019 abgeschlossen ist. Es erscheint daher unumgänglich, ein Verfahren zur Neuerteilung von Konzessionen aufzulegen“. Deutlicher geht es kaum.
Anwalt Mayer: „Das ist Flickschusterei“
Und doch haben sich die Länder mehrheitlich dafür entschieden, erstmal keinen Neuanfang zu starten, den von Experten gelobten hessischen Entwurf beiseite zu schieben und stattdessen auf irgendwelche minmalen Änderungen zu setzen. Ob es dazu kommt, ist aber fraglich, zumindest kaum kurzfristig machbar. Denn auch minimalen Änderungen müssten alle 16 Landesparlamente zustimmen. Christian Mayer von der Kanzlei Noerr LLP kann dieses Vorgehen nicht verstehen: „Das ist Flickschusterei. Die Ministerpräsidenten wollen sich ihre Versäumnisse offenbar nicht eingestehen“, sagt Mayer.
Ende April, Anfang Mai könnte sich das vielleicht ändern und die Motivation für einen Neustart des Konzessionsverfahrens rasant befeuert werden: Dann nämlich könnte die Nachricht eintreffen, dass die EU-Kommission genug hat von der hiesigen Flickschusterei und wegen Verstößen gegen geltendes EU-Recht ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet. Weil der deutsche Sportwetten-Markt de facto noch immer nicht liberalisiert ist.
T. Kuske
Diesen Text habe ich für das Sportbusiness-Fachmagazin SPONSORs geschrieben.
Bildquelle: Rainer Sturm / pixelio.de
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