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Boxen in Deutschland: Helden gesucht
Das Profi-Boxen hat in Deutschland schon bessere Tage gesehen: die aktuellen Zugpferde bringen nicht genug TV-Quote und stehen vorm Karriereende. Nachwuchsboxer müssen schleunigst zu neuen Helden aufgebaut werden – auch mittels neuer Wege und Ideen.*
Boxen ist eigentlich prädestiniert, um Helden zu produzieren. Echte Leidenschaft, Kampf Mann gegen Mann, Schweiß und Blut – vieles spricht dafür, dass das Boxen regelmäßig die Aufmerksamkeit der Massen und der Sponsoren erringt. Eigentlich.
Tatsächlich hat das Profi-Boxen in Deutschland schon länger keine echten Helden mehr. Zumindest keine „local heros“ wie Henry Maske und Axel Schulz. Die hatten neben der nötigen sportlichen Leistung ein gewisses Charisma und dadurch ein Markenbild: Maske der höfliche, für den Boxsport eher untypische „Gentleman“, der für kluges, strategisches Boxen stand. Schulz der „weiche Riese“, ein „Immer-gute-Laune-Bär“ mit dem Herzen am rechten Fleck.
Für die aktuellen Vorzeige-Boxer in Deutschland gilt das seit vielen Jahren nur noch zum Teil. Einzige große Ausnahme sind die Klitschkos, die trotz ihrer ukrainischen Herkunft – nicht nur hierzulande – bewundert werden. Das Problem dabei: Solche Helden von Weltrang sind selten. Wladimir wird spätestens in drei Jahren dem Beispiel seines Bruders Vitali folgen, der bereits 2013 seine Karriere beendete. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass der Klitschko-Haussender RTL einen ebenbürtigen Nachfolger findet. Ob RTL nach der Ära Klitschko weiter vom Boxen berichtet, ist daher sehr fraglich.
Sinkende Quoten, stagnierende Einnahmen
Die Folgen des Mangels an massentauglichen Idolen spürt das Profi-Boxen in Deutschland seit einigen Jahren. Angefangen mit den rückläufigen Einschaltquoten. So konnte etwa die ARD in den 2000er-Jahren mit Boxkämpfen über das Jahr gesehen noch durchschnittliche Marktanteile von über 20 Prozent bei Zuschauern ab drei Jahren erzielen. Dann wurde es immer weniger. 2013 und 2014 waren es nur noch 15,9 und 15,2 Prozent. Von Reichweiten bis zu 17,52 Millionen wie bei Maske gegen Virgil Hill 1996 kann das Boxen hierzulande ohnehin nur noch träumen – auch weil solche Live-Quoten für das Boxen allein schon aufgrund des geänderten Mediennutzungsverhaltens als unrealistisch gelten.
Die sinkenden Quoten hatten wiederum Auswirkungen auf die Erlöse aus Sponsoring, die seit Jahren stagnieren. Für ein Sponsorship bei einem Boxkampf wie beispielsweise Arthur Abraham gegen Robert Stieglitz Mitte Juli bei Sat.1 bezahlen Unternehmen zwischen einem niedrigen und hohen fünfstelligen Betrag – je nachdem um welche Werbefläche es sich handelt: Eine Präsenz auf dem Ringboden ist deutlich mehr im TV-Bild als andere Flächen, weshalb es hier je nach Attraktivität des Kampfes auf niedrige sechsstellige Beträge hochgehen kann. Üblich sind aber eher 80 000 statt 200 000 Euro.
Entsprechend verteilen sich die Umsätze: Bei SES Boxing machen die Einnahmen aus dem Sponsoring seit Jahren maximal rund 20 Prozent aus, bei Sauerland ist es ähnlich wenig. Den Löwenanteil mit bis zu 70 Prozent kommt von den TV-Partnern. Eine ausgewogene, krisenfeste Einnahmeverteilung sieht anders aus.
Am Härtesten traf der Abwärtstrend den einst weltgrößten Boxstall Universum, der 2012 Insolvenz anmelden musste – vor allem weil der große Geldgeber, das ZDF, 2010 die Zusammenarbeit beendet hatte. Schließlich zog sich im vergangenen Jahr mit der ARD auch der zweite öffentlich-rechtliche Sender aus der Live-Berichterstattung vom Boxen zurück als der Vertrag mit Sauerland nicht verlängert wurde.
Vieles soll besser gemacht werden
Das Aus bei der ARD kann aber auch etwas Gutes haben: Das liegt insbesondere am Privatsender Sat.1, der im Oktober vergangenen Jahres mit Sauerland einen Vertrag bis Ende 2016 über acht Kampfveranstaltungen pro Jahr abschloss. Damit war zum Einen die Existenz des Berliner Boxstalls gesichert – auch wenn Sat.1 mit kolportierten sieben Millionen Euro per anno weniger zahlt als die ARD, die zuletzt 13 Millionen Euro für zwölf Kampfabende im Jahr überwiesen haben soll. Zweitens positionierte sich mit Sat.1 ein großer TV-Sender klar als Plattform für Profi-Boxen in Deutschland. Neben Sauerland hat der Unterföhringer Sender Verträge mit Felix Sturm und dem Magdeburger SES-Boxstall. Zudem sind Box-Manager wie Ulf Steinforth von SES oder Kalle Sauerland offensichtlich motiviert, andere Wege zu gehen und bekommen nach eigener Aussage neue Ideen von Sat.1 – um es besser zu machen als bislang.
Ein erster Schritt sind die größeren Möglichkeiten für Kampfansetzungen: Lange waren einzelne Box-Paarungen nicht machbar, nur weil der eine Boxer von Sauerland mit dem ZDF kooperierte und der andere Boxer der ARD verpflichtet war. Nun sind fast alle in Deutschland bekannten Boxer bei Sat.1.
Bislang hat sich das für Sat.1 jedoch noch nicht ausgezahlt, zumindest wenn es nach den TV-Quoten geht (siehe unten die Auflistung „Einschaltquoten Boxen 1. Halbjahr 2015“): Im ersten Halbjahr 2015 lag der Höchstwert beim Marktanteil bei 18,8 Prozent. Allerdings hatte Zeljko Karajica, Geschäftsführer von ProSiebenSat.1, anläßlich der neuen Partnerschaft mit Sauerland „bis zu 25 Prozent“ für möglich gehalten. Diese Erwartungen haben sich bislang nicht erfüllt.
Neben dem mangelnden Heldenpotenzial der aktuellen Zugpferde wie Arthur Abraham oder Jürgen Brähmer könnte das auch an Fehlern aus der Vergangenheit liegen: Skandal-Urteile und Kämpfe, die sportlich nicht das hielten, was sie versprachen und Fans vergraulten.
Wobei das Interesse am Boxen in Deutschland noch immer auf einem hohen Niveau rangiert: Bei einer Online-Umfrage von Repucom im November 2014 gaben 39 Prozent der rund 500 Teilnehmern an, „interessiert“ und „sehr interessiert“ zu sein – das ist ähnlich viel wie beim Automobilrennsport (40 Prozent). „Das Interesse am Boxen ist in Deutschland da, es wurde aber viel kaputt gemacht“, glaubt nicht nur Bernd Bönte, Geschäftsführer und Mitinhaber von der Klitschko Management Group. „Es gab zu viel Quantität, statt Qualität.“ Für Henning Boßdorf, der unter anderem SES berät, wurde viel Etikettenschwindel betrieben: „Oft schien die Vermarktungsstrategie zu lauten: Hauptsache es ist ein WM-Kampf.“
Sat.1 würde das laut Boßdorf besser machen und lieber auf sportlich gute Kämpfe setzen als auf schlechte Titelverteidigungen, wo der Weltmeister irgendein Fallobst weghaut.
Ob die Boxinteressierten das auch so sehen und Sat.1 mit dieser Strategie mittelfristig an einen Marktanteil von 25-Prozent herankommt, wird sich zeigen. Auf Sicht braucht es aber vor allem neue, erfolgreiche Kämpfer, die das boxinteressierte deutsche Publikum vor den Fernseher lockt. Denn selbst die aktuellen Zugpferde wie Abraham, die zumindest für einen zweistelligen Marktanteil sorgen, sind Mitte dreißig oder älter und stehen vor ihrem Karriereende.
(Den zweiten Teil gibt es hier zu lesen.)
Einschaltquoten Boxen 1. Halbjahr 2015
21.02.15 (ab 22.30 Uhr) – Sat.1 – Artur Abraham vs. Paul Smith: 4,09 Mio. (18,8 % MA)
09.05.15 (ab 22.25 Uhr) – Sat.1 – Felix Sturm vs. Fedor Tschudinow: 2,74 Mio. (14,3 % MA)
21.03.15 (ab 22.35 Uhr) – Sat.1 – Jürgen Brähmer vs. Robin Krasniqui / ab 3 Jahre: 2,69 Mio. (13,6 % MA)
26.04.15 (Wdh. ab 10.30 Uhr) – RTL – Wladimir Klitschko vs. Bryan Jennings : 2,67 Mio. (21,3 % MA)
26.04.15 (ab 5.15 Uhr) – RTL – Wladimir Klitschko vs. Bryan Jennings / ab 3 Jahre: 1,42 Mio. (38,3 % MA)
09.05.15 (ab 23.45 Uhr) – Sat.1 – Jack Culcay vs. Maurice Weber: 1,26 Mio. (11,9 % MA)
07.03.15 (ab 22.30 Uhr) – MDR – Dominic Bösel vs. Timy Shala: 0,18 Mio. (k. A. zu MA)
Quellen: Sat.1, RTL, MDR-Videotext, Media-Controll
(Bildquelle: M. Gapfel / pixelio.de)
*Diesen Text habe ich für das Fachmagazin SPONSORs geschrieben, wo er in einer modifizierten und etwas kürzeren Fassung in der aktuellen September-Ausgabe veröffentlicht worden ist. Ich habe ihn hier in zwei Teilen online gestellt, in der Hoffnung, dass die Textlänge dadurch etwas besser zu verdauen bzw. zu bewältigen ist.
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15. September 2015 at 17:57
[…] *Diesen Text habe ich für das Fachmagazin SPONSORs geschrieben, wo er in einer etwas modifizierten und kürzeren Version in der aktuellen September-Ausgabe erschienen ist. Den ersten Teil zu diesem Text gibt es hier. […]
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