Zur Tour de France: Sechs Fragen an… Jörg Jaksche

An diesem Wochenende startet die Tour de France. Die 102. Auflage kann dem Radsport helfen, neue Fans hinzu und alte zurück zu gewinnen – oder durch neue Dopingfälle wieder viel und vielleicht für lange Zeit kaputt machen. Grund genug, mit jemanden zu sprechen, der sich im Radzirkus und mit Doping auskennt: Der ehemalige Radprofi Jörg Jaksche antwortete mir zu sechs Fragen über den Anti-Doping-Kampf der UCI und dessen große Schwäche sowie den Wiedereinstieg der ARD in die Live-Berichterstattung von der Tour de France.

Herr Jaksche, die ARD berichtet in diesem Jahr erstmals seit 2011 wieder live von der Tour de France und begründet das mit den verstärkten Bemühungen der UCI gegen Doping. Sie haben als ehemalig Aktiver sicher einen besonderen Blick auf das Agieren des Weltradsportverbands. Teilen Sie die Meinung der ARD, dass es die UCI inzwischen besser macht?

Jaksche: Ich bin beileibe kein Freund der UCI. Aber das, was die UCI hinsichtlich Anti-Doping macht, ist ein Vielfaches von dem, was in anderen Sportarten getan wird. Und andere Sportarten haben auch diese Probleme mit Doping.

Glauben Sie denn, dass die aktuellen Rad-Profis, die bei der Tour de France an den Start gehen „sauber“ sind?

Jaksche: Ich würde nicht mein Geld darauf verwetten. Aber es ist eine andere Generation. Mir gefällt wie sich Degenkolb, Kittel und Co. in Interviews mit dem Thema Doping auseinandersetzen. Das wirkt sehr reflektiert.

“Es sind noch die Funktionäre aktiv, die mich zum Doping gedrängt haben”

Sie hatten in der Vergangenheit öffentlich auch immer wieder das System des Profi-Radsports und die Funktionäre kritisiert. Hat sich aus Ihrer Sicht diesbezüglich die Situation gebessert?

Jaksche: Nein, das ist noch immer ein großes Problem für den Anti-Doping-Kampf im Radsport. Es sind noch die gleichen Funktionäre aktiv, die mich damals zum Doping gedrängt haben.

Sollte es bei der diesjährigen Tour de France erneut zu einer Reihe von Dopingfällen kommen, droht ein erneuter Ausstieg der ARD aus der Live-Berichterstattung.

Jaksche: Die ARD hat nicht das Recht, sich als moralische Instanz zu gerieren. Dafür zahlt niemand seine Rundfunkgebühren. Auch in anderen Sportarten geht es dreckig zu. Sehen Sie sich doch nur die jüngsten Korruptionsskandale bei der FIFA an. Und dennoch wird nicht ernsthaft darüber diskutiert, nicht live von der nächsten Fußballweltmeisterschaft zu berichten.

“Dass Klitschko gedopt hat, weiß doch kaum noch jemand”

Schadet sich der Radsport nicht selbst damit, dass erwiesene Dopingsünder wieder mitfahren und dann auch noch in den Fokus der Medien rücken, weil sie wie Alberto Contador den diesjährigen Giro d’Italia gewinnen. Wäre es nicht besser, man würde solche Fahrer gar nicht mehr antreten lassen, um einen wirklichen Image-Wechsel zu schaffen?

Jaksche: Auch wenn ich mich für längere Sperren ausgesprochen habe, also nicht nur zwei Jahre, sondern vier, finde ich: Nach einer verbüßten Sperre sollte den Sportlern ein Neu-Anfang möglich sein. Dann muss auch mal gut sein. Ich kann mich nur wiederholen: Auch in anderen Sportarten gab und gibt es immer wieder Doping-Vergehen. Dass einer der Klitschkos wegen Dopings überführt worden war, weiß doch heute kaum noch jemand.

Werden Sie die diesjährige Tour de France im Fernsehen verfolgen oder interessiert Sie das alles nicht mehr?

Jaksche: Ich bin dem Radsport immer noch zugeneigt und die Tour ist eine der größten Sportveranstaltungen der Welt. Die Übertragungen bei der ARD waren ja immer auch wie eine Frankreich-Reise wie eine Art Kultur-Reise. Ich werde wohl schon mal reinschalten, denke ich.

(Bildquelle: Hans-Peter Reichartz / pixelio.de)

Für einen Einblick in die bewegte Doping-Vergangenheit von Jörg Jaksche und anderen Radrennfahrern seiner Zeit (wo es scheinbar system-inhärent war, dass der Einzelne sich schwerlich den Mechanismen und Praktiken des Profi-Radzirkuses nicht entziehen konnte) noch ein Bericht von Spiegel TV aus dem Jahr 2007: hier.

 

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  1. Radsport: Auferstanden aus Ruinen - 13. Juli 2015 at 16:45

    […] In den Interviews mit dem ehemaligen Rad-Profi Jörg Jaksche, dem ehemaligen Teammanagers Hans-Michael Holczer und dem Director Product Development von […]

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