Wie eine WM zum Problem für eine Sportart wird

Die IHF Handball-WM 2015 in Katar hat mit dem Spiel der Gastgeber gegen Brasilien begonnen. Normalerweise hilft eine Weltmeisterschaft durch die gesteigerte Medienpräsenz jeder Sportart, zumindest zeitweise. Diese Handball-WM jedoch könnte der Sportart Schäden zufügen, die für längere Zeit nachwirken.Dieter Schütz_pixelio_klein.de

Schaut man sich die Berichterstattung an, so wirkt es als habe jemand bewusst ein Lehrstück darbieten wollen mit dem Titel: “Wie eine WM zum Problem für eine Sportart wird”.

Maßnahme Nummer eins: Man gebe einem Land den Zuschlag für die Ausrichtung der Weltmeisterschaft, das mit der Sportart bislang nicht wirklich was am Hut hatte. Um neue Fans für Handball in anderen Erdteilen als Europa zu gewinnen, hätte man auch in Länder gehen können, die seit Jahren bei der WM mit von der Partie sind, wie zum Beispiel Brasilien. Durch die fehlenden Handball-Wurzeln in Katar drohen nun diverse Gefahren: Keine nachträgliche Nutzung der übergroßen Arenen (mit einer Kapazität von bis zu 15 000 Zuschauern) nach der WM und leere Sitze während der WM – oder mit Arbeitern aufgefüllte Arenen, die das erste Mal in ihrem Leben ein Handball-Spiel zu sehen bekommen. Ich bin gespannt auf die Stimmung.

Maßnahme Nummer zwei, um eine WM zum Fiasko zu machen: Man schmeiße eine qualifizierte Mannschaft kurzerhand mittels hanebüchenen Argumenten aus dem Teilnehmerfeld und mache so Platz für ein anderes Team, das “zufällig” zu den größten Wirtschaftsnationen der Welt und einem der wichtigsten TV-Märkte zählt. So geschehen mit Australien (ausgeladen) und Deutschland (per Wild Card nachträglich eingeladen). So etwas hat mit fairem Sport überhaupt gar nichts mehr zu tun. Entsprechend schlecht fürs Image fiel dann auch die Berichterstattung dazu aus.

Damit war die WM schon vorher ein Reinfall. Man stelle sich nur vor, Deutschland erreicht das Finale und gewinnt womöglich auch noch. Ein Team also, dass sich eigentlich sportlich gar nicht qualifiziert hat. Mir tun die Spieler leid.

Maßnahme Nummer drei: Man verkaufe als Weltverband IHF die TV-Übertragungsrechte an den Meistbietenden und achte nicht auf das Kleingedruckte. Hauptsache die Kohle stimmt. Und mit 80 Millionen Euro sollen es immerhin 60 Prozent mehr gewesen sein als bei der vorherigen WM. Blöd nur, dass Rechtekäufer Al Jazeera die Rechte an das Tochterunternehmen beIN Sports weiterreichte und diese Vermarktungsagentur es nach Recherchen der ARD nicht schaffte, in Europa eine ähnlich große Verbreitung der WM-Übertragungen zu garantieren wie bei den Weltmeisterschaften zuvor.

So auch in Deutschland, wo die Spiele der DHB-Nationalmannschaft nur im Bezahlfernsehen bei Sky zu sehen sind – und eben nicht im frei empfangbaren TV bei ARD und ZDF. Ein Super-GAU für den Handball in Deutschland. Anstatt mit Einschaltquoten an der 10-Millionen-Grenze wie bei der WM zuvor ins Scheinwerferlicht zu rücken, dürfte die WM an der breiten Öffentlichkeit ungesehen vorüberziehen. Immerhin will Sky einige Spiele ohne deutsche Beteiligung per frei empfangbarem Live-Stream anbieten. Diese Möglichkeit dürften wohl aber nur Handball-Nerds wahrnehmen.

Wobei hinzugefügt werden muss, dass es ohne Sky sehr wahrscheinlich noch nicht einmal die Möglichkeit für Public Viewings in deutschen Kneipen gegeben hätte. Denn beIN Sports hatte von ARD und ZDF verlangt, dass deren Satellitenübertragungen, die zum Beispiel auch in den Mittelmeerländern empfangen werden können, für die Handballspiele nur verschlüsselt erfolgen dürfen. Schließlich hätten sonst in den anderen Ländern die exklusiven TV-Rechte verletzt werden können, da das Programm von ARD und ZDF dort ohne Einschränkungen zu sehen ist. Dumm nur, dass solch eine Verschlüsselung nach Aussage der Öffentlich-Rechtlichen rein technisch nicht möglich ist.

Nun droht der WM auf Sky ein ähnliches Schicksal wie der EHF Velux Champions League, die seit dieser Saison nicht mehr beim frei empfangbaren Eurosport gezeigt wirde, sondern exklusiv bei Sky. Medienberichten zufolge sollen selbst attraktive Partien wie Flensburg-Handewitt gegen Barcelona nur zwischen 10 000 und 20 000 Zuschauer vor die Bildschirme gelockt haben. Damit findet die Champions League im Handball in Deutschland TV-technisch quasi gar nicht statt.

Immerhin konnte sich der Mann, der hauptsächlich für den TV-Deal mit Al Jazeera verantwortlich ist, IHF-Präsident Hassan Moustafa, selbst für die 60-prozentige Volumensteigerung bei den TV-Geldern belohnen: Nach Recherchen der ARD hat Moustafa eine Gehaltserhöhung bekommen. In dem Gremium, das darüber entschied, sitzt auch Moustafa. Sich selbst mehr Geld zuzuweisen, dass hat bei “dem Pharao” schon Tradition wie Berichte aus der Vergangenheit zeigen. Nichts Neues also. Und damit umso schlimmer. Denn dass die anderen Verbände es nicht schaffen, solche Machenschaften zu unterbinden und Moustafa immer wieder damit durchkommt, wirft ein sehr schlechtes Licht auf den Weltverband und die Sportart.

Leider war es das noch nicht. Da wäre noch Maßnahme Nummer vier: Man ermögliche in den Statuten des Weltverbands, dass Nationalspieler munter von einem Auswahlteam zum anderen wechseln können. Einzige Bedingung: Der Spieler darf drei Jahre lang kein Länderspiel bestreiten. Dass ein aberwitzig reiches Land wie Katar solche wachsweichen Regeln als Einladung versteht und sodann eine Nationalmannschaft mit Weltniveau zusammenkauft, hätten sich auch die Funktionäre beim IHF denken können. So ist nach ARD-Informationen der Kader der Kataris mit serbischen Top-Leuten gespickt und der einzige in Katar geborene Spieler ist der dritte Torwart. Seit September 2013 trainiert der ehemalige spanische Weltmeistertrainer Katars Söldner-Auswahl tagtäglich – wie eine Vereinsmannschaft. Verloren hat die Truppe schon lange nicht mehr. In einem Vorbereitungsspiel kurz vor der WM 2015 fegte sie die Nationalmannschaft von Russland mit elf Toren Unterschied vom Platz.

Um es zusammenzufassen: Kann sich irgendwer etwas Schlimmeres für die Sportart Handball vorstellen, als wenn eine Katar-Auswahl mit acht gekauften Top-Leuten aus dem Ausland im Viertelfinale vor einer halb-leeren Halle auf Deutschland trifft, das sportlich eigentlich gar nicht beim Turnier dabei sein dürfte, und im TV-Markt mit den potenziell meisten Handball-Fans läuft dieses Spiel nur in Kneipen und ein paar Hundertausend Sky-Abonennten? Garniert mit Medienberichten von den offenbar skandalösen Arbeitsbedingungen, unter denen die neuen Arenen entstanden sind? Ich sag´s ja: Die Handball-WM 2015 ist ein Lehrstück der besonderen Art.

In diesem Zusammenhang äußerst sehenswert ist die ARD-Reportage “Alles anders: Die Handball-WM in Katar”. Zu finden ist der Film im Interview mit ARD-Reporter Andreas Kramer.

(Bildquellen: Dieter-Schütz/ Pixelio.de)

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Eine Antwort auf “Wie eine WM zum Problem für eine Sportart wird”

  1. Ralph sagte:

    Sehr guter, pointierter Kommentar zu einem riesigen Desaster – für die Sportart, die Mannschaften, die Spieler, die Fans.
    Da weiß man dann auch, was bei der Fuball-WM auf uns wartet. So sehr ich Handball liebe – ich wende mich mit Grausen von dieser Kommerzveranstaltung mit dem Geruch der Korruption ab – nicht aber von der Sportart.

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