Der Galopprennsport in der Krise – Teil II

Der Galopprennsport in Deutschland ist in der Krise. Ein Grund: Er zeichnet sich durch eine über Jahrzehnte gewachsene und hochkomplexe Organisationsstruktur aus. Inhärent ist dieser Struktur zudem eine hohe Zahl von unterschiedlichen Interessensgruppen mit teilweise stark divergierenden Zielen.

Karl-Heinz Laube_pixelio_de„Das ist ein kaum zu steuerndes Geflecht, das bei relativ kleinem Umsatz im Bereich von 70 bis 100 Millionen Euro viel zu schwerfällig ist“, sagt der Strategieberater und Unternehmer Jochen Drepper. In der freien Wirtschaft ist solch eine unflexible Struktur bei einer derartigen Umsatzgröße nicht vorstellbar. Gemeinsame Reformen, die der ganzen Sportart zugutekommen sollen, aber dem Einzelnen durchaus wehtun, können so nur schwerlich umgesetzt werden.

Gefangen in der „Todesspirale“

Dabei arbeitet die Zeit gegen den Galopprennsport. Zu diesem Schluss kommt zumindest die Studie von Drepper, Schmidt und Müller. Denn laut der Analyse befindet sich die Sportart hierzulande in einer Art „Todesspirale“: Zu den internen Versäumnissen kommen als wesentliche Treiber einer sich selbst anfeuernden Negativentwicklung externe Faktoren wie die gestiegenen Ansprüche von Sponsoren oder das über die Jahre veränderte Freizeitverhalten der Menschen. Viel mehr als noch vor einigen Jahren erwarten Zuschauer heutzutage von Sportveranstaltungen einen gestiegenen Grad an Unterhaltung. Ein paar Gäule um die Runden jagen zu lassen und danach noch eine Siegerehrung – das reicht nicht mehr.

Andere Sportarten haben sich diesbezüglich besser angepasst und sind in der Gunst der Sportfans vorbeigezogen. Dem Galopprennsport machen sie so etwa bei der Sponsorenakquise oder Medienpräsenz das Leben zusätzlich schwer.

Und so führt eins zum anderen: Weniger Erträge durch Wetten und Sponsoren sorgen für weniger Rennen und niedrigere Rennpreise, was wiederum zu geringeren Verdienstmöglichkeiten der Aktiven führt, wodurch es immer weniger Züchter gibt. Und so geht es weiter: Weniger Züchter bedeuten naturgemäß weniger Pferde und weniger Besitzer, worunter die Qualität der bei den Rennen antretenden Pferde leidet. Alles zusammen wirkt sich negativ auf die Medienpräsenz und das Interesse der Zuschauer aus. Und der Teufelskreis dreht sich weiter.

Für Wichard von Alvensleben, ehemaliger Geschäftsführer des Pferderennsport-Vermarkters Win Race, wird die dramatische Situation des Galopprennsports nur noch von jener im Trabrennsport übertroffen. Von Alvensleben zählt zu den bereits genannten Versäumnissen noch weitere auf: eine fehlende Straffung des Rennprogramms, keine Abstimmung mit den Nachbarländern und der fehlende Schulterschluss mit dem Trabrennsport.

„Kein Land der Welt hat seinen Rennkalender so schlecht abgestimmt“, kritisiert von Alvensleben. „Alle wollen möglichst am Sonntag veranstalten, große Renntage wie zum Beispiel in München-Riem oder Daglfing wurden zum Teil bewusst auf das gleiche Wochenende gelegt.“ Viele Annäherungsversuche zwischen Trab und Galopp seien jedes Mal gescheitert, weil man dem jeweils „anderen Lager“ nichts gegönnt habe. Für von Alvensleben ist es zum Beispiel überhaupt nicht nachvollziehbar, dass man es in Hamburg nicht geschafft habe, eine Doppelrennbahn, also eine Bahn für Trab und Galopp, zu implementieren. Dabei werde „die Derby-Bahn in Hamburg-Horn nur eine Woche im Jahr für Galopprennen genutzt – das ist absurd“.

Grund zur Hoffnung besteht

Dabei erfreut sich der Galopprennsport mit einer geschätzten Gesamtzuschauerzahl von einer Million noch immer einer durchaus beachtlichen Beliebtheit bei Sportfans aller Gesellschaftsschichten – und nicht etwa nur bei der High-Society wie die Schnappschüsse von Galopprennen in Boulevard-Medien oft weiß machen. Jochen Drepper glaubt an das Potenzial der Sportart, sofern man sie denn ansprechend präsentiert und professionell vermarktet. Ein „Erlebnis im Grünen mit hohem Nachhaltigkeitsfaktor“ könnten schließlich nur sehr wenige Sportarten vorweisen.

Einige wenige Rennbahnen haben offenbar die Zeichen der Zeit erkannt und sich inzwischen deutlich professioneller aufgestellt. Dazu zählen die Rennbahnen in Iffezheim bei Baden-Baden, Hoppegarten bei Berlin, Leipzig, Frankfurt und Hannover-Langenhagen. Diese vorbildhaften Rennbahnen scheinen es ersten Erfolgsmeldungen zufolge geschafft zu haben, sich dem Teufelskreis ein Stück weit zu entziehen.

Um es konkreter zu machen: Zwar hatte auch die wohl bekannteste Rennbahn Deutschlands in Iffezheim mit Versäumnissen zu kämpfen und noch immer gibt es Altschulden, die aus der Insolvenz des vorherigen Rennvereins 2009 übrigblieben. Jedoch ist der Geschäftsführer von der neuen Betreibergesellschaft Baden Racing, Benedict Forndran, mittlerweile optimistischer. So macht ihm der im Vergleich zu 2011 um circa tausend Besucher je Renntag angestiegene Zuschauerschnitt in 2013 genauso Mut wie die immer positivere Berichterstattung, auch in internationalen Medien.

Mehr als Pferdesport anbieten

Von allein kamen diese Erfolge nicht, es bedurfte einiger Neuerungen: etwa die Einführung eines „Ladies Day“, an dem Frauen mit schicken Hüten gratis Eintritt erhalten, eine Zusammenarbeit mit dem Fußball-Zweitligisten Karlsruher SC, einen Familientag oder einen „Price for Eleganc“ für die am besten angezogene Frau, der vom Hauptsponsor Longines im Rahmen des „Großen Preis von Baden“ vergeben wird. Auch der Besuch von Schauspielern aus international bekannten Kinofilmen gehört zu der neuen Strategie, die Forndran wie folgt erklärt: „Wir bieten mehr als Pferdesport und liefern damit auch der Presse Themen, über die sie berichten können.“

Zudem wurden die Rennveranstaltungen auf die Bedürfnisse einzelner Zielgruppen ausgerichtet. Das Frühjahrsmeeting wurde von sechs auf vier Renntage verkürzt und als Familienveranstaltung definiert, die Große Woche hingegen als Event für VIPs und solche, die sich dafür halten. Auch wurde die Qualität des Geläufs zuletzt nochmals verbessert, sodass mehr internationale Top-Pferde in Iffezheim an den Start gehen.

Insgesamt wolle man auch von den Standards im Fußball lernen, so Forndran. Daher habe man sich in 2014 auch dazu entschlossen, zum ersten Mal überhaupt in Deutschland bei der Firma Sportcast eine moderne Produktion von Bewegtbildern eines Galopprennens in HD-Qualität und mit 15 Kameras in Auftrag zu geben. „Um zu zeigen, wie attraktiv Galopprennsport aussehen kann, wenn man es richtig angeht.“

ARD-Mann Balkausky: “Sehen keine Möglichkeiten”

Nach eigenen Recherchen wurde dafür ein knapp sechsstelliger Betrag investiert. Die Verantwortlichen von ARD und ZDF sollen laut des Baden-Racing-Geschäftsführers begeistert auf die Bilder reagiert haben und nahmen einige in einer Kurzberichterstattung in ihr Programm auf. Zu mehr können sie sich wohl auch künftig nicht durchringen. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky erklärt: „Derzeit sehen wir keine programmlichen Möglichkeiten für eine ausgiebige Live-Berichterstattung über den Galoppsport.“ Zumindest hat es im abgelaufenen Jahr 2014 einen Bericht über das Deutsche Derby in Hamburg in der „ZDF-Sportreportage“ gegeben. Für Vogel vom DVR ein Resultat der Bemühungen die eingeschlafenen Kontakte zu den Sportredaktionen wieder zu beleben. Gleichwohl ist die Medien-Präsenz noch immer als desaströs zu bezeichnen.

Forndran entmutigt das nicht. Stattdessen hilft er der German Tote, der Wettdienstleister-Tochter der BGG Betriebsgesellschaft Galopp-Rennvereine, bei Verhandlungen mit dem Bezahlsender Sky. Dabei soll ein Spartenkanal eigens für Übertragungen vom Galopprennsport im Gespräch sein.

Und damit nicht genug, Forndran hofft, dass das attraktive HD-Videomaterial dabei hilft, große Konzerne als Sponsoren für mehrere Rennen auf verschiedenen Rennbahnen zu gewinnen. Zwar sei die Zusammenarbeit zwischen den großen Vorzeige-Bahnen schon gut, in puncto gemeinsamer, zentraler Vermarktung gebe es aber noch Luft nach oben, räumt Forndran ein. Der Rennbahn-Manager ist weiter hoch motiviert, das Schicksal seiner Sportart positiv zu beeinflussen.

Teil drei gibt es hier zu lesen.

(Bildquelle: Karl-Heinz Laube/ pixelio.de)

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2 Antworten auf “Der Galopprennsport in der Krise – Teil II”

  1. Folge 1 und 2 sind bisher sehr treffende Analysen der Lage im Rennsport. Allerdings halte ich auch den hier gelobten Baden Racing Geschäftsführer für keine sonderlich gelungene Besetzung für die Rolle des “Iffezheim Retters”.

    Hannover führt vor, dass man Hospitality und Entertainment braucht, um wieder mehr Leute (potenzielle Wetter) auf die Rennbahn zu bekommen. Herr Forndran vernachlässigt diese Felder jedoch ziemlich. Er ist ein Mann des Wettens. Leider sind bisher alle von ihm angeregten “Wettinnovationen” kläglich gescheitert (Neueinführung der “Gerade-ungerade”-Wette, Wiederbelebung der Top6-Wette).

    Statt dessen wird der normale Gelegenheitsbesucher (auch bekannt als “der Stammkunde und Wetter von morgen”) auf dem Sattelplatz in Iffezheim sträflich vernachlässigt. Beispiel Sattelplatzgastronomie: Hohe Preise und ein Speiseangebot aus den 70er Jahren verleiden normalen Besuchern (insbesondere Familien) die Lust auf wiederholte Rennplatzbesuche. Döner, Burger, Asia-Food, Flammkuchen sucht man in Iffezheim vergebens. Alle Gastronomie-Kassenschlager der letzten 20 Jahre sind bisher Iffezheim noch nicht angekommen. Herrn Forndran interessiert dies wenig.

    Die Verantwortlichen im Rennsport müssten endlich mal ihre beschränkte Sichtweise ablegen, dass ihr Produkt “Pferdewette” heißt. Sie haben nicht verstanden, dass das Produkt “erlebnisreicher Nachmittag” heißt und dass sie damit in Konkurrenz zu etlichen anderen Freizeitangeboten stehen. Z.B. in Konkurrenz zum Europapark in Rust. Was die Rennbahnbetreiber im Vergleich zu anderen Freizeitangeboten anbieten, wirkt oft müde und aus der Zeit gefallen. So lockt man keine jungen Kunden an. Schaut man sich in Iffezheim um und betrachtet die Altersstruktur der Besucher, fällt das nächste Problem des Rennsports auf: Demnächst werden viele Kunden einfach wegsterben. Und es kommen kaum neue Kunden nach. Früher bevölkerten oft Fußballer-Teams in Mannschaftsstärke den Rennplatz. Sowas sieht man heute kaum noch.

    Es wird einfach auch das Publikum aus der Region nicht ausreichend erreicht und mobilisiert:

    Warum werden für den Sonntag des Sales and Racing Festivals (SRF) noch 12 Euro Eintritt verlangt? Wie attraktiv wäre ein Rennbahnbesuch zu diesem Tarif, wenn unter 10 Grad Außentemperatur herrschen?

    Warum werden die Nummerierten Sitzplätze und Logen auf der Großen Sattelplatztribüne beim SRF nicht für alle Gäste freigegeben? Man hat den Eindruck, dass sich das Verhältnis von der Anzahl der zahlenden Kunden zur Anzahl der Kartenkontrolleure immer mehr der Relation 1:1 annähert. Die allermeisten Plätze sind leer.

    Warum gibt es vor den Rennbahneingängen keine Fahrradparkplätze / Fahrradständer? Die Rennbahn wäre grundsätzlich ein ideales Ausflugsziel für Radfahrer. Auch Radfahrer haben heutzutage ausreichend Geld. Warum wird also nichts getan, um den Rennbahnbesuch für diese Besuchergruppe attraktiv zu machen?

    Warum sind die Getränke so teuer? In England ist normalerweise alles teurer als in Deutschland, aber beispielsweise auf der Rennbahn in Epsom kostet ein halber Liter Cola umgerechnet 2,50 Euro (also 0,50 Euro pro 100 ml). In Iffezheim kosten 0,33 Liter 3,20 Euro – also 0,97 Euro pro 100 ml. In anderen Worten: Die Cola ist auf der Iffezheimer Bahn 94 Prozent teurer als auf der Derbybahn in Epsom!

    Aber nicht nur beim Rahmenprogramm liegt der Hase im Pfeffer. Auch das Kernprodukt Wette hat Defizite:

    Warum schafft man es nicht, aktuelle Eventualquoten für die Zweierwette auf den Monitoren anzuzeigen? Dies würde gewiss auch noch den anderen Wetter mobilisieren eine Zweierwette mit besonders attraktiver Quote zu spielen. Eventualquoten für Zweierwetten sind in England und Skandinavien eine Selbstverständlichkeit. Nur leider in Deutschland nicht.

    Warum zeigt man nicht (wie in Frankreich üblich) die Höhe des “Sieg-Potts” im Toto an. Dann könnte jeder Wetter halbwegs treffend abschätzen, welche Quotenänderung er bespielsweise mit einer 50 Euro Wette auf ein Pferd verursachen wird.

    Warum… ach, ich könnte hier noch etliche Vorschläge aufzählen. Hat aber leider keinen Sinn, da die Verantwortlichen in den Rennvereinen einfach zu veränderungsresistent sind. Diese Leute als konservativ zu bezeichnen, würde am Kern der Sache vorbeigehen. “Konservativ” heißt auf Deutsch “bewahrend”. Die Leute, die aktuell im Galopprennsport das Sagen haben, sind nicht die Bewahrer des Rennsport. Mit ihrer inneren Einstellung sind sie seine Totengräber.

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  1. Pferderennsport: Vergaloppiert – Teil I - 11. Januar 2015 at 18:15

    […] Morgen folgt der zweite Teil. […]

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