Sportförderung: Sporthilfe vs. DOSB

Das Verhältnis zwischen Deutscher Sporthilfe und Deutschem Olympischen Sportbund ist unklar. Beide fördern den Spitzensport. Beide betonen sie seien Partner. Ist das wirklich so? Schaut man sich die Organisationen und ihre Tätigkeiten genauer an, zeigen sich unnötige Überschneidungen und ungenutztes Synergiepotenzial.*

RainerSturm_pixelioEines vorweg: Niemand, weder beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), noch bei der Deutschen Sporthilfe (DSH), wird jemals offiziell sagen, es gebe ein Gegeneinander. Schon weil sich das nicht gehört, so etwas zu sagen. Vielleicht auch, weil der DOSB jährlich einen siebenstelligen Betrag von seinen Vermarktungserlösen als „Zuschüsse für die Athletenförderung“ an die DSH weiterleitet. 2012 waren es 1,16 Millionen Euro.

Vor allem aber, weil es in der Generalität nicht zutrifft. Es gibt kein offenes, bewusst betriebenes „DSH vs. DOSB“. Offiziell wird fast schon gebetsmühlenartig verkündet, man sei Partner. Zudem würden mit Christa Thiel und Klaus Steinbach als Präsidiumsmitglieder sowie Marion Rodewald als Aktivensprecherin der Athleten gleich drei Vertreter des DOSB im DSH-Aufsichtsrat sitzen. Man kennt sich also nicht nur, man tauscht sich regelmäßig aus und arbeitet miteinander.

Unternehmerdenke vs. Verbandspolitik

Und doch machen sich Stiftung und Sportverband oft gegenseitig das Leben schwer. Sie wetteifern bei der Besetzung von Themen wie etwa der dualen Karriere von Sportlern, sie buhlen um die gleichen Sponsoren und Geldgeber, sie beanspruchen für sich beide die deutschen Vorzeige-Olympioniken als Aushängeschild und sie kollidieren mit ihren Meinungen bei einzelnen Themen.

Teil des Problems ist paradoxerweise eine gleiche Zielsetzung: Beide Organisationen wollen den Sport in Deutschland fördern. Während sich die DSH unter ihrem Vorstandsvorsitzenden Michael Ilgner dabei ganz auf den Leistungssport konzentriert, muss sich der DOSB um Präsident Alfons Hörmann laut Verbandssatzung der Förderung des Sports in seiner ganzen Breite widmen – im Speziellen aber eben auch der Förderung des Spitzensports. Das führt zwangsläufig zu Überschneidungen und zu Reibereien. Zusehends offenkundig – etwa bei der Auseinandersetzung um die Deutsche Sportlotterie (siehe SPONSORs 05/2014).

Und noch etwas ist offensichtlich: Die grundsätzlichen Unterschiede in den Möglichkeiten des Agierens. Hier der DOSB, der als Dachverband oft zu viele Interessen einbeziehen muss und teilweise in gewachsenen, ehrenamtlichen und vereinsmeiernden Strukturen verhaftet ist. Dort die DSH, die vor ein paar Jahren bereits ihr Profil als unternehmerisch handelnde Stiftung noch einmal geschärft hat.

So kam es, dass der DOSB geradezu davon überrumpelt wurde wie schnell die DSH die Chancen der geplanten neuen Sportlotterie begriff und als Gesellschafter einstieg. Während sich der DOSB noch um seinen großen Geldgeber, den Deutschen Toto- und Lottoblock, mit seiner vermeintlich bedrohten Glücksspirale sorgte und sich mit den aggressiv keifenden Bedenkenträgern der Landessportbünde austauschen musste, erstrahlte der Sporthilfe-Vorstand Michael Ilgner bereits als visionäre Lokomotive der deutschen, nicht-staatlichen Spitzensportförderung.

Dabei profitiert die DSH prozentual gesehen sogar mehr von der Glücksspirale als der DOSB: Rund 20 Prozent der jährlichen DSH-Einnahmen kommen durch die Glücksspirale; beim DOSB waren es 2012 rund 15 Prozent. Dennoch war die Sporthilfe schnell bereit – vor dem DOSB – neue Wege auszuprobieren. Was sich freilich noch als Irrtum herausstellen kann, aber das ist dann unternehmerisches Risiko, das die DSH offenbar eher bereit ist, in Kauf zu nehmen als der DOSB.

Als Indiz für das ausgeprägte unternehmerische Handeln können zum Beispiel auch die Erlöse aus der Vermarktung herhalten: Mehr als zwei Drittel der jährlichen Erträge, also etwa 13 Millionen Euro, stammen bei der Deutschen Sporthilfe aus Spenden und Zuwendungen von Mäzenen und Sponsoren. Der DOSB erwirtschaftete hingegen 2012 aus der Vermarktung 8,91 Millionen Euro (inklusive Sachleistungen von rund 2,7 Millionen Euro) und nahm rund 250 000 Euro an Spenden ein; ingesamt also 9,16 Millionen Euro.

Deutschland vs. Deutschland

13 Millionen Euro bei der  DSH und 9,16 Millionen Euro beim DOSB. Die Vermarktungserlöse des DOSB wirken nicht nur durch diese Gegenüberstellung ausbaufähig. Das räumte der Dachverband selbst bereits 2006 ein und hielt diese Erkenntnis in einem Arbeitspapier fest: „Durch ein verbessertes Marketing – von den olympischen Ringen bis zum deutschen Sportabzeichen – lassen sich nach unserer festen Überzeugung mehr Mittel von Wirtschaft und Sponsoren generieren. Wir werden den Unternehmen attraktive Angebote unterbreiten, die sich nicht in der Vergabe von Rechten und Logos erschöpfen.“ Dafür wurde die Vermarktung im Jahr 2006, im Zuge der Fusion von Nationalem Olympischem Komitee (NOK) und Deutschem Sportbund (DSB) zum DOSB, der Verbands-Tochter Deutsche Sport-Marketing (DSM) übertragen.

Dass man das im Arbeitsprogramm von 2006 artikulierte Vorhaben tatsächlich mit Nachdruck umsetzen will, zeigte sich bei kritischer Betrachtung aber erst in London 2012 bei den vergangenen Sommerspielen richtig klar. Wenige Monate vor Beginn der Spiele wurde damals die Kommunikationsoffensive „Wir für Deutschland“ gestartet. Mithilfe von sozialen Netzwerken sollte fortan eine Brücke zwischen Athleten und Fans geschlagen werden. Und den Sponsoren bessere Möglichkeiten zur Einbindung.

Gleiches will bereits die 2010 ins Leben gerufene DSH-Kampagne „Dein Name für Deutschland“, um so Spenden von den Fans für die Sportler einzusammeln. Doppelungen bei der Bewerbung der Programme dürften nur schwer zu vermeiden sein. Weshalb die Trennschärfe für den Sportbegeisterten nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, der beabsichtigte Werbeeffekt droht vor diesem Hintergrund zu verpuffen.

Zudem konnte die DSH bereits mehrere große und attraktive Partner für „Dein Name für Deutschland“ gewinnen: Die Deutsche Kreditbank, den Paketdienstleister DPD oder auch den FC Bayern München. Alles Partner, die sicher nicht zusätzlich noch in irgendeiner Weise mit dem DOSB und seinem „Wir für Deutschland“ werben wollen. Stattdessen musste die DSM woanders fündig werden und konnte die Unternehmen Zurich, Audi und P&G als Partner der Kampagne gewinnen.

Auch bei anderen Themen musste der DOSB zur Kenntnis nehmen, dass ihm nur die Rolle des Nachahmers, Modifizierers oder gar Zuschauers bleibt – weil die DSH schneller war. Die Sporthilfe ehrt zum Beispiel seit 2000 mit der „Goldenen Sportpyramide“ Sportler-Legenden wie den Segler Jochen Schümann oder Franz Beckenbauer und betont damit die Vorbildfunktion von Sportlern. Und auch die Idee, die Preisträger gleichzeitig in eine 2006 ins Leben gerufene „Hall of Fame des deutschen Sports“ aufzunehmen, kam von der Sporthilfe. Und nicht vom DOSB, der 2006 vermutlich mehr mit seiner Konstituierung durch die Fusion aus NOK und DSB beschäftigt war.

Immerhin sitzt der DOSB mit in der Jury, neben Sportjournalisten, Politikern und anderen Persönlichkeiten. Dennoch: Allein die DSH kann sich mit dem offiziellen Leitgedanken der „Hall of Fame“ schmücken: „Sportliche Vorbilder und die Erinnerung an ihre großen Erfolge sind Motivation für die nachfolgenden Generationen, sich dem Leistungssport zu verschreiben.“ Zudem sei der Sport „im besonderen Maße dazu geeignet, über das kollektive Gedächtnis ein historisches Bewusstsein zu bilden“, wird der Historiker Thomas Mergel von der Sporthilfe zitiert.

Eine derartige Überhöhung des Sports hat der DOSB in dem Maße nicht zu bieten. Auch wenn es der DOSB geschafft hat, mit einer Auszeichnung den gesellschaftlichen Wert des Sports zu transportieren: So verleiht der Dachverband zusammen mit den Volksbanken Raiffeisenbanken die „Sterne des Sports“ an Sportvereine, die für ihr soziales Engagement innerhalb des Breitensports belohnt werden. Dass hier nicht auch die DSH zuvorgekommen ist, verwundert aber nicht: Schließlich dreht sich bei der DSH alles um Leistungssport und nicht um Breitensport.

 

Morgen folgt Teil 2 dieser Gegenüberstellung von DSH und DOSB, da es sonst, also ungeteilt, ein zu großer und damit für mein Empfinden für online zu anstrengender Text wäre.

*Dieser Text wurde in der aktuellen August-Ausgabe des Fachmagazins SPONSORs in einer leicht modifizierten Form veröffentlicht.

(Bildquelle: Rainer Sturm / pixelio.de)

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  1. DOSB konkurriert mit Sporthilfe – Teil 2 - 28. August 2014 at 11:44

    […] ersten Teil hatte ich bereits ausgeführt, dass der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die Deutsche […]

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