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Überdreht Adidas?
Der Konkurrenzkampf zwischen den Sportartikel-Riesen Adidas und Nike ist schon seit längerem auf Hochtouren, aber was in den vergangenen Wochen abgelaufen ist, verwundert dann doch. Die Verantwortlichen bei Adidas scheinen entweder verrückt geworden zu sein oder eine brutale Kamikaze-Strategie zu fahren. Die neuesten Aktionen der Herzogenauracher lassen jedenfalls die Frage aufpoppen: Überdreht Adidas oder ist das irgendwie doch noch nachvollziehbar?
Klar ist: Adidas scheint in diesem Jahr überall mächtig Gas geben zu wollen. Mehrere Verträge wurden langfristig verlängert. Mitte Juni etwa mit dem portugiesischen Rekordmeister Benfica Lissabon bis 2020/21 für angeblich durchschnittlich über 6,5 Millionen Euro pro Jahr. Und bevor Mitte Juli die Verlängerung mit dem Fußballverband Mexiko bis Ende 2022 bekannt gegeben wurde, düpierte Adidas-Testimonial Ivan Rakitic bei seiner Ankunft bei seinem neuen Verein FC Barcelona den Klub-Ausrüster Nike, indem er ein rotes Adidas-Poloshirt trug. Die Geschichte lief rauf und runter in den klassischen und sozialen Medien – ein PR-Coup par excellence also.
Fast eine Milliarde Euro, um zehn Jahre einen Klub einzukleiden?
Für weit mehr Aufmerksamkeit sorgte dann aber die Meldung, Adidas habe mit Manchester United den höchst dotiertesten Ausrüstervertrag der bisherigen Sportgeschichte abgeschlossen: Für einen zehnjährigen Kontrakt ab der Saison 2015/16 überweisen die Herzogenauracher insgesamt rund 750 Millionen Pfund (umgerechnet etwa 942 Millionen Euro). Also 75 Millionen Pfund (94 Millionen Euro) pro Saison. Bisher galten die geschätzten 32 Millionen Euro, die Adidas pro Jahr an Real Madrid zahlt, als das Nonplusultra.
Pikant daran ist nicht nur die für Ottonormalverbraucher nicht mehr vermittelbare Rekordsumme, sondern vor allem dass Adidas damit seinem ärgsten Rivalen Nike ein bisheriges Aushängeschild abgeluchst hat. Neben Barcelona war Manchester United für den US-Sportartikler das Top-Werbeinstrument überhaupt.
Nike wollte nicht auf Forderungen von United eingehen
Im Gegensatz zu Adidas will Nike aber anscheinend kein Wettrüsten um jeden Preis und sagt zu den Forderungen der Klubs nach immer besser honorierten Verträgen auch mal nein: Nach über einem Jahr andauernden Verhandlungen konnten sich Nike und Manchester United nicht auf eine Verlängerung der nach der Saison 2014/15 auslaufenden Partnerschaft einigen. „Jedwede Partnerschaft mit einem Club oder einem Verband muss für beide Seiten nutzbringend sein“, teilte Nike in einer Stellungnahme mit. Die Bedingungen für einen neuen Vertrag seien für die Nike-Aktionäre nicht günstig gewesen. Der aktuelle Vertrag mit Nike soll United derzeit pro Jahr umgerechnet knapp 29 Millionen Euro bringen.
Nun erhält der 20-fache englische Meister Manchester also knapp dreimal so viel bislang. Zwar ist das ein toller Marketing-Erfolg für Adidas, immerhin hat der Sportartikel-Produzent sich ab der Saison 2015/16 auch den italienischen Rekordmeister Juventus Turin geschnappt und mit Real Madrid, FC Bayern München, FC Chelsea oder AC Mailand eine sehr ansehnliche Zahl an absoluten Top-Vereinen im Portfolio. Dennoch drängt sich die Frage auf: Überdrehen die Verantwortlichen damit nicht?
Bis zu 50 Millionen Euro für einen Chaos-Klub
Insbesondere da nun auch bekannt geworden ist, dass auch der Vertrag mit dem Hamburger SV vorzeitig verlängert wurde. Zu neuen verbesserten Konditionen bis zum Ende der Spielzeit 2023/24. Erfolgsabhängig können die Hanseaten während der zehnjährigen Kontraktlaufzeit 40 bis 50 Millionen Euro kassieren, berichtet die „Bild“. Bemerkenswert daran ist zum einen der Zeitpunkt der Vertragsunterschrift, der bereits im April erfolgt sein soll. Also als der HSV in der wohl schwersten Krise seiner Geschichte steckte mit dem Abstiegskampf und der unklarer Zukunft wegen der anstehenden Abstimmung über die Ausgliederung der Profiabteilung. Und zum anderen das Detail, dass Adidas bereit gewesen sein soll, den Vertrag zu gleichen Konditionen auch im Abstiegsfall abzuschließen.
Also noch einmal: 40 bis 50 Millionen Euro für einen am Boden liegenden Chaos-Klub und Schwindel erregende 942 Millionen Euro für einen der bekanntesten Fußballvereine der Welt – spinnen die Manager des rund 50 000-Mann-Konzerns?
Erklärungsversuche für den Kurs von Adidas
Adidas-CEO Herbert Hainer rechtfertigt den Rekordvertrag mit Manchester United mit dem Merchandising-Potenzial. Denn der fränkische Konzern wird nicht nur die Teams des Klubs ausrüsten, sondern weit mehr als das: Die Franken werden auch das exklusive Recht besitzen, Produkte, die das Markenzeichen beider Partner tragen, weltweit zu vertreiben. Hainer rechnet deswegen für die zehnjährige Laufzeit der Partnerschaft mit einem Umsatz von insgesamt 1,5 Milliarden Britischen Pfund (umgerechnet knapp 1,9 Milliarden Euro).
Diese Erläuterung ist für interessierte Beobachter jedoch nicht wirklich erschöpfend. Gern würde man mal sehen, wie diese Rechnung im Detail aussieht. Nur dann könnte man auch ansatzweise beurteilen, ob diese Kalkulation gerechtfertigt erscheint oder das Ganze unter einem anderen Gesichtspunkt zu sehen ist: Nämlich, dass Adidas derzeit bereit ist, über die Schmerzgrenze hinaus zu gehen und mithilfe von Kampfpreisen einen Abstand zur Konkurrenz herstellen will.
Bei der FIFA WM 2014 haben die Verantwortlichen jedenfalls Argumente für ihren aggressiven Kurs geliefert bekommen: Nicht nur, dass Adidas in den sozialen Netzwerken präsenter war als Nike, Rekordumsätze erzielte mit über acht Millionen WM-Trikots und über 14 Millionen WM-Spielbällen, auch standen im Finale mit Deutschland und Argentinien gleich zwei von Adidas eingekleidete Teams. Am Tag nach dem Finale erzielten die Adidas-Papiere an der Börse ein Plus von 2,73 Prozent auf 73,48 Euro. Damit waren sie Spitzenreiter im Dax.
(Bildquellen: Tim Reckmann / pixelio.de; Adidas)
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