Studien-Schwachsinn zur WM
Während einer omnipräsenten Sportveranstaltung wie der Fußball-WM versuchen immer wieder Unternehmen aus der Marktforschung und dem Beratungs-Sektor mit Studien auf sich aufmerksam zu machen. Umso mehr besteht die Gefahr, dass die Redaktionen der großen Zeitungen und Nachrichtenagenturen eine Studie aufgreifen, die besser in der Schublade verschwunden wäre.
Anfang dieser Woche versuchte das Unternehmen Prophet mit einer Studie zu mehr Bekanntheit zu gelangen, die für Redaktionen zunächst sehr reizvoll anmutet, weil sehr kritisch gegenüber dem tendenziell doofen Fußballweltverband Fifa:
Negative Begleitumstände wie Korruptionsvorwürfe, soziale Not und Verschwendung hätten bei den Zuschauern Spuren hinterlassen, hieß es in einer PR-Mitteilung, die später vom Sport-Informations-Dienst aufgegriffen wurde und mittlerweile auch von der schweizerischen Handelszeitung. Schon dieser erste Satz ist anzuzweifeln: Auch bei vergangenen Großevents mit bedenklichen Rahmenbedingungen waren hinterher irgendwelchen negativen Konsequenzen beziehungsweise Spuren erkennbar gewesen. Nicht bei den Olympischen Spielen in Sotschi (Umweltzerstörung), der UEFA EURO 2012 in Polen und der Ukraine (Menschenrechts- und Tierrechteverletzungen) und auch nicht bei der vergangenen FIFA WM 2010 in Südafrika (zu teure, nicht nachhaltig geplante Stadien).
Der Rest der nachfolgenden Argumentationskette der veröffentlichten Mitteilung zur Studie ist ebenso Nonsens. Nur leider wurden – mal wieder – die stolz vorgezeigten Umfrage-Ergebnisse nicht von allen Redaktionen kritisch hinterfragt.
Aber der Reihe nach: „Mehr als 80 Prozent der Bundesbürger ärgern sich darüber, dass Millionensummen in den Bau überflüssiger Stadien geflossen sind, während in Brasilien soziale Not herrscht.“ Kein überraschendes Ergebnis, eher wundere ich mich darüber, warum der Wert nicht noch höher ist.
Werfen die WM-Sponsoren Geld zum Fenster raus?
Dann aber die nachfolgende Verbindung und Weiterleitung herzustellen, ist schlicht Schwachsinn: „Diese Kritik überträgt sich auch auf das Bild, dass die Menschen von den großen Sponsoren der WM haben.“ Ah ja? Und was ist mit den vielen anderen Studien, die den positiven Effekt für die WM-Sponsoren nachweisen? Wie kommen die Studienersteller von Prophet darauf? Die Antwort: „Immerhin 44 Prozent der Beobachter meinen, dass die Konzerne mit dem WM-Sponsoring Geld zum Fenster hinauswerfen und wollen die betreffenden Marken daher künftig meiden.“ Erstens könnte man sich zwar darüber streiten, ob die von der FIFA verlangten Sponsoring-Summen zu teuer sind (jedoch ist das bekanntlich immer eine Frage von Angebot und Nachfrage), jedoch bleibt es auch dann eine mehr als platte, populistische Aussage. Zweitens wird mir zumindest nicht die Logik klar, warum jemand, der der Meinung ist, dass etwa Coca Cola oder Hyundai ihr Geld zum Fenster rausschmeißen, nicht trotzdem weiter ein Auto der Südkoreaner oder eine Coke des US-Softdrinproduzenten kaufen sollte.
Und drittens wird dabei nicht verraten wie die Fragen gestellt wurden – was aber ein wesentlicher Punkt ist.
Ich tippe mal, es wurde so gefragt: „Glauben Sie, dass es sinnvoll ist, dass Konzerne wie Adidas oder Sony viele Millionen Euro für Sponsoring bei der WM in Brasilien ausgeben?“ Nachdem die Befragten sich vorher mit der Frage zu Millionen für den Bau überflüssiger Stadien bei gleichzeitigem sozialen Elend beschäftigt haben, sind 44 Prozent wohl wieder keine Überraschung, sondern eher zu erwarten gewesen.
Antwortverzerrung durch soziale Erwünschtheit
So etwas nennt man in der Forschung eine Antwortverzerrung durch soziale Erwünschtheit: Die Befragten antworten in der Tendenz so wie sie glauben, dass es ihr soziales Umfeld (in diesem Fall der Interviewer) es von ihnen erwarten. Und eben nicht so wie sie es tatsächlich empfinden.
Auch der Erkenntnisgewinn durch den Rest der Umfrage-Ergebnisse ist mehr als fraglich: Die 1000 befragten Bundesbürger würden das Thema WM-Sponsoring laut der Prophet-Studie recht ambivalent sehen. Zwar erkennt eine Mehrheit (62 Prozent) an, dass nur mit den Millionen der Konzerne teure Weltmeisterschaften finanziert werden können. Und fast jeden zweiten Fußballfan interessiert die Kritik am Sponsoring nicht. Doch deutliche 81 Prozent der befragten Bundesbürger unterstützen lieber Unternehmen und Marken, die nachhaltig und sozial auftreten.
Hier drängt sich bei allen Ergebnissen erneut der Verdacht auf, die Antworten sind tendenziell so ausgefallen wie die Fragen gestellt wurden. Denn wer würde denn nicht mit Ja auf die Frage antworten: „Unterstützen Sie lieber Unternehmen und Marken, die nachhaltig und sozial auftreten?“ Vermutlich verneint diese Frage nur jemand, der zu gestresst ist, um die Frage zu verstehen und einfach mal nein antwortet oder jene, denen sowieso alles egal ist. Also wahrscheinlich so 10 Prozent und neun Prozent sagen, sie wüssten es nicht. Bleiben 81 Prozent für „Ja, ich unterstütze lieber nachhaltige und sozial auftretende Unternehmen”. Wenn das nicht mal eine tolle Erkenntnis ist.
(Bildquelle: Jörg Brinckheger / pixelio.de)
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