Ältere Fans: Attraktive und wachsende Zielgruppe

Aufgrund der demografischen Entwicklung wird Deutschland älter und älter – und damit auch die Fans der Bundesliga. Ein paar Vereine buhlen bereits mit speziellen Angeboten um die Gunst der wachsenden Zielgruppe der älteren Fans. Wobei eher nicht die schon Gebrechlichen und Kranken im Fokus stehen wie das Foto es vermutlich suggeriert.

demografische Entwicklung_BMI_tk1Die Deutschen werden immer älter: Nach einem Bericht der Bundesregierung wird im Jahr 2030 bereits jeder Dritte 65 Jahre und älter sein. Und im Jahr 2050 gehören fast 45 Prozent der deutschen Bevölkerung der Generation 55-plus an.

In der Fußballbundesliga merkt man die demografische Entwicklung schon jetzt: Laut einer aktuellen Studie des Meinungsforschungsinstituts Repucom sind von allen Fußballfans in Deutschland – die mindestens 14 Jahre alt sind – bereits 49 Prozent über 50 Jahre alt. Das entspricht 19,8 Millionen Menschen.

Noch wenig Angebote für ältere Fans

Eine gewaltige Masse, der derzeit aber noch eher selten eine auf sie zugeschnittene Ansprache zuteil wird. „Die Klubs der Bundesliga tun sich noch schwer mit Angeboten für ältere Fans“, berichtet Marketingfachmann Peter Rohlmann, der gerade eine Studie zum unterschätzten Vermarktungspotenzial von älteren Fans im Fußball herausgebracht hat. So gebe es zwar für Babies oder Frauen eine Reihe von für sie zugeschnittene Fanartikel, älteren Fans würde hingegen oft nur ein Oberhemd mit dezentem Vereinslogo an der Manschette angeboten.

Ein Rollator in den Farben und mit dem Wappen von Borussia Dortmund ist aktuell die absolute Ausnahme und eher als Kuriosität zu betrachten, statt als ernst gemeintes Angebot. Tatsächlich bietet der BVB den gelb-schwarzen Rollator nicht selbst in seinem Fanshop an. Laut Rohlmann, würden die Klubs es noch nicht grundsätzlich und konzeptionell anfassen, Menschen ab 50 Jahren als Zielgruppe anzugehen.

Dabei sagt einem nicht nur der gesunde Menschenverstand, dass es für Clubs, Vermarkter und Sponsoren überaus Sinn macht, ältere Menschen nicht genauso zu umwerben wie etwa einen Mittzwanziger. Dazu gibt es Erkenntnisse aus der Forschung: Eine Studie vom Marktforschungsinstitut Repucom kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass sich ältere Menschen im Vergleich zum Durchschnitt weniger für Erfrischungsgetränke oder Fast Food interessieren, dafür aber mehr für Heizungen oder Laserdrucker.

Co-Branding erfolgreich bei älteren, betuchten Fans

Zudem lassen einzelne Beispiele das große Potenzial erkennen, das bei älteren Fans noch schlummert: Als vor einigen Jahren Manchester United mit dem Luxusuhrenhersteller Hublot speziell designte Uhren mit 45-Minuten-Zähler und einer limitierten Stückzahl zum Einzelpreis von rund 18 000 Euro anbot, waren diese rasend schnell ausverkauft. Auch der FC Bayern München hat gute Erfahrungen mit derartigem Co-Branding von Luxus-Uhren gemacht.

Ein erneuter Blick in die Forschung zeigt: Menschen ab 50 Jahren sind für Bundesligavereine eigentlich hoch interessant. Sie sind häufig der Mittelpunkt von Familien, beeinflussen stark die jüngere Generation, sie befinden sich in einer Lebensphase, in der sie sich etwas gönnen wollen und sie verfügen häufig über deutlich mehr Kapital als zum Beispiel 14- bis 30-Jährige.

Hinzukommt, dass sich ein 60-Jähriger heute in aller Regel deutlich jünger fühlt als ein 60-Jähriger vor 20 Jahren. Ältere Deutsche sind aktiv, wollen etwas in einer Gemeinschaft unternehmen und sind dafür körperlich noch in der Lage. Die ersten Bundesligisten haben das erkannt und haben spezielle Angebote für ältere Fans: Der SV Werder Bremen hat 2008 als Vorreiter die Initiative „60plus“ gestartet, beim Hamburger SV gibt es die „HSV Senioren“, beim VfL Wolfsburg den „Wölfe Club 55plus“ und der 1. FSV Mainz 05 hat seit einem Jahr die „05er Classics“ für Vereinsmitglieder ab 60 Jahren. Bei allen anderen Vereinen sieht es diesbezüglich mau aus.

Angebote kommen gut an und zahlen auf Image ein

Dabei hört man nur Positives aus Bremen, Hamburg, Wolfsburg oder Mainz. Der Personalaufwand ist gering und damit die Kosten. Und obwohl keine gesonderte Werbung betrieben wird, ist der Zulauf stetig und die Angebote erfreuen sich großer Beliebtheit – egal, ob es um einen Blick hinter die Kulissen beim ZDF, Landtag oder einem Radiosender geht, um Bowling oder Vorträge der Polizei zu Verbrechensprävention.

Für Anne-Kathrin Laufmann, Direktorin CSR-Management bei Werder Bremen, zahlen derartige Angebote auf das Image des Clubs ein: „Wir wollen damit zeigen, dass Werder mehr als Fußball ist und dass Werder anders ist.“ Werder-Präsident Klaus-Dieter Fischer sagte bei der Initiierung des 60plus-Angebots, der SVW wolle damit seiner gesellschafttlichen Verantwortung gerecht werden.

Darüberhinaus hilft es den Vereinen, Ältere bei der Stange zu halten. Laufmann berichtet, dass bei älteren Vereinsmitgliedern die Fluktuation höher ist und man sich daher Gedanken gemacht habe wie man sie halten könnte. Seit es die Initiative 60plus gebe, sei die Ausscheidungsrate gesunken.

Aber nicht nur Fanbindung ist ein Ziel, ebenso die Fangewinnung: „Viele unserer 60plus-Mitglieder bringen ihre Partner mit“, sagt Laufmann. So kommen auch Ehepartner mit dem Klub in Berührung, die sich andernfalls niemals mit ihm auseinandergesetzt hätten.

„Jung-Gebliebene“ statt „Senioren“

Trotz dieser Club-Angebote bleibt Luft nach oben. Zwar greifen alle Bundesligisten ihren betuchten und dann zumeist älteren Fans mit teuren Eintrittskarten im Business- oder VIP-Bereich in die Taschen – mit stringentem Zielgruppenmarketing hat das aber wenig zu tun. Das mag auch daran liegen, dass man sich hierzulande generell noch nicht lange mit dem Thema „älterer Kunde“ beschäftigt. Viel zu lange hat sich die Werbung auf die 14- bis 49-Jährigen fixiert. Alter wird meist gleichgesetzt mit Siechtum, Defiziten, Abbau und Tod – damit wollen sich viele Unternehmen nicht in Verbindung bringen.

Das Gleiche gilt freilich für ihre Kunden, die kaum sagen würden, dass sie alt sind. Alt sind immer nur die anderen. Dementsprechend gilt für Bundesligavereine: Ein spezielles Zielgruppenmarketing für Ältere ist immer eine Gradwanderung. Davon weiß auch Anne-Kathrin Laufmann vom SV Werder zu berichten: Die 60plus-Mitglieder würden ganz bewusst nicht als „Senioren“ bezeichnet. „Stattdessen sagen wir ,die Junggebliebenen´.“

(Dieser Text von mir erschien in der Montags-Ausgabe vom 17.3.2014 im Kicker Sportmagazin)

(Bildquelle: Rehatech Aravantinos)

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