Im Amateurfußball brennt es
Das Folgende könnte auch unter der Headline „Splitter vom Fankongress – Teil 2“ erscheinen. Denn, wenn auch vielleicht etwas spät, will ich noch auf eine Diskussionsrunde beim Fankongress 2014 eingehen, der vergangenes Wochenende in Berlin stattfand. Das Thema versprach Emotionen: „Aufstieg, nein danke. Warum sich viele Vereine zwischen Insolvenz und Bedeutungslosigkeit entscheiden müssen.“ Und die gab es.
Insgesamt litt die Podiusmdiskussion daran, dass es viel zu viele Teilnehmern auf der Bühne Platz nahmen: Wenn ich mich nicht verzählt habe, waren es neun Personen, die natürlich alle zu Wort kommen sollten und wollten. Dadurch war eine gewisse Fahrigkeit in der Diskussion zwangsläufig. Meiner Meinung nach ist bei vier Teilnehmern die maximale Grenze für eine Podiumsdiskussion erreicht. Dennoch gab es außer meiner Sicht ein paar wirklich interessante Aussagen, die deutlich machen, dass es im Amateurfußball zum Teil lichterloh brennt und die Landesverbände zusammen mit dem DFB viel Arbeit vor sich haben.
Eingeleitet wurde die Diskussion von einem Vortrag des Fanbeauftragten der Sportfreunde Siegen, Uwe Kölsch. Dieser kritisierte zum einen die fehlende Loyalität vieler Fußballfans. „Als wir in der 2. Liga gespielt haben, hieß es von Vielen: Ach, was wäre es toll, wenn wir noch mal gegen Rot-Weiss Essen spielen würden. Als es dann jetzt in der Regionalliga soweit war, blieben die meisten, die das gesagt haben, dann aber weg“, so Kölsch. Der Zusschaueruspruch in der Regionalliga sei selbst bei Spielen gegen sogenannte Traditionsvereine viel zu gering.
„Du bist Fan von Sportfreunde Siegen? Nee, jetzt mal ehrlich!“
Auch gebe es in Deutschland keine Akzeptanz für Fans von Vereinen unterer Spielklassen. „Da kommt dann immer die Gegenfrage: Sportfreunde Siegen? Und für welchen Klub aus der Bundesliga bist Du?“ Es könne sich kaum einer vorstellen, dass man allein Fan eines Regionalligisten sei. In Schottland sei das ganz anders: Dort gibt es Komplimente und die Aussage. „Great! Support your local team!“
Der sportliche Leiter des SSC Reutlingen, Martin Goeggelmann, meinte dazu, es werde allgemein zu wenig gesagt, „die Regionalliga ist geil!“ Das gebe es nicht. Stattdessen werde immer nur nach oben, in höhere Spielklassen geschielt. Die Logik, die dahinter steht: Wenn man eine Liga nur als Durchgangsstation betrachtet, lässt man sich nicht auf die vorhandenen Gegebenheiten ein und versucht mit denen klar zu kommen. Vielmehr strecken sich zu viele Vereine wirtschaftlich zu sehr, um möglichst schnell in die höhere Liga zu kommen.
Ein Einstellungsproblem. Andererseits ist der Leistungsgedanke und das Streben im Sport einfach systemimmanent. Das gehört sozusagen zur DNA des Vereinssports deutscher Prägung. Das amerikanische Franchise-System mit feststehender Ligenzugehörigkeit (siehe etwa NFL, NHL, NBA) gibt es so hierzulande derzeit meiner Kenntnis nach nur in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Aber auch dort müssen sich die DEL-Verantwortlichen seit Jahren mit aller Kraft gegen ständige, massive Kritik an dem Ligenmodus wehren. Und vergangenen Herbst gab es zudem Überlegungen, dass man einen Auf- und Abstieg wieder einführen wolle.
Thomas Schickorra, Vorstandsvorsitzender VfB Lübeck, berichtete, dass es schwer gewesen sei, den Partnern, Sponsoren, den Stadtvertretern und Fans klar zu machen, dass man nach zwei Insolvenzen nun versuche, nicht sofort wieder aufzusteigen und stattdessen gute Arbeit und Leistung in der Regionalliga Nord abliefern wolle. Und dass man damit auch glücklich sein könne. „Das versteht nicht jeder“, so Schickorra.
Sicherheitswahn: 300 Ordner in der Bezirksliga
Kölsch aus Siegen kritisierte zudem die aus seiner Sicht zu hohen Auflagen hinsichtlich Sicherheit. „Wir müssen, um die Auflagen zu erfüllen, bei jedem Spiel drauflegen“, so Kölsch. Die Anforderungen seien einfach zu kostenintensiv. Das sei auch der Grund, warum viele Vereine es sich mehrmals überlegen, ob sie einen Aufstieg wagen. Nur ein Oberligist in Nordrhein-Westfalen habe den Antrag für eine Lizenz für die Regionalliga gestellt. „Wegen des Sicherheitswahns“, polterte Kölsch und erhielt viel Applaus. „Allein bei der Bestimmung, dass wir einen Gästekäfig bauen müssen, könnte ich schreien“, meinte Kölsch.
Ein Extrembeispiel beschrieb ein Zuhörer im Auditorium: Ein Vertreter der Ultras von der BSG Chemie Leipzig berichtete der Bezirksligist (7. Liga) müsste für einzelne Spiele 300 Ordner vorhalten. Und bei einem Derby in Leipzig müssten aufgrund der behördlichen Auflagen 1500 Polizisten aufmarschieren. Hinzu kämen bauliche Vorkehrungen. „Das kann sich kein Bezirksligist leisten“, beklagte der mir namentlich nicht bekannte Ultra. „Wir werden daher wohl kein Derby austragen – denn auch unser Gegener kann sich das nicht leisten – und jeweils drei Minuspunkte einkassieren.“ Seine Forderung (und auch die von den meisten Anwesenden): DFB und Landesverbände – rüstet wieder ab!
Sein Fett weg bekam auch die Reform der Regionalliga. Aber das greife ich in einem dritten Text zum Fankongress auf. Fortsetzung folgt also…
(Bildquelle: SCHAU.MEDIA_pixelio.de)
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28. Januar 2014 at 21:39
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