Ministerium trickst bei Lizenzvergabe

Wer wissen will, wie der aktuelle Stand beim Vergabeverfahren von Sportwetten-Lizenzen ist, lese den folgenden Text, der in der aktuellen Ausgabe von SPONSORs veröffentlicht wurde: Mithilfe eines Tricks will sich das Innenministerium von Hessen aus seiner misslichen Lage in der Hängepartie um die Vergabe von Sportwettenlizenzen manövrieren. Applaus gibt es dafür nicht. Stattdessen wächst die Wut der vielen Verlierer. 

So etwas kennt man aus der Schule: Will man nicht selbst der Doofe sein, sagt man „Der war´s!“ und bezichtigt den, der sich am wenigsten wehren kann. Eines ähnlichen Tricks bediente sich das für die Vergabe von Sportwettenlizenzen zuständige Innenministerium von Hessen: Mitte November schrieb das Ministerium an die Unternehmen, die sich um eine Lizenz bewerben, per E-Mail: Kein Antragsteller der zweiten Prüfrunde habe die Mindestanforderungen erfüllen können. Nun sollten sie nachbessern.

Die Nachricht ging wie Donnerhall durch die Sportwettenbranche – damit hatte niemand gerechnet. Viele können es auch Tage später noch nicht fassen. Schließlich hatte das Ministerium aus den 41 Bewerbern der zweiten Runde bereits 14 ausgesiebt und zu Anhörungen nach Wiesbaden geladen. Laut der Mail sollen aber auch diese 14 Firmen nicht die Mindestanforderungen erfüllt haben – fragt sich, warum die 14 Anhörungen überhaupt durchgeführt wurden.

Taktisches Vorgehen des Ministeriums

Marktnahe Beobachter wie der Glücksspielrechtsexperte Christian Mayer von der Kanzlei Noerr LLP sagen, das Ganze sei „eine Blamage für das Ministerium“. Mit der Mail habe die Behörde indirekt eingeräumt, dass sie sich 14 mal geirrt haben. „Dabei hat es mehr als genug Zeit gegeben, Nachbesserungen bei den Unterlagen einzufordern“, sagt Mayer.

Tatsächlich haben sich die Bewerber aber immer wieder beklagt, dass sie kaum Informationen erhalten haben und ihre Fragen nicht oder nur unzureichend beantwortet wurden. Zudem ist es kaum zu glauben, dass große Unternehmen wie Tipico oder Admiral Sportwetten, die sich bereits erfolgreich um Lizenzen in Schleswig-Holstein oder anderen europäischen Staaten beworben haben, nicht fähig gewesen sein sollen, die Mindestanforderungen etwa bei Themen wie IT-Sicherheit oder Spielmanipulation zu erfüllen.

Daher sind sich Beobachter wie Mayer sicher: Das Ganze ist ein rein taktisches Vorgehen, um zu verhindern, aufgrund eigener Fehler verklagt zu werden. Schon zu den Anhörungen hatten nicht berücksichtigte Firmen Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof Kassel eingelegt. Diese wurden zwar alle mit Verweis auf das noch laufende Vergabeverfahren abgeschmettert, doch zeigten die Klagen nachdrücklich: Die Anbieter lauern sprichwörtlich mit gezogenem Messer auf Fehler im Vergabeverfahren. Gegen die endgültige Lizenzvergabe, das hat das Innenministerium durchblicken lassen, wird mit über 80 Gerichtsverfahren gerechnet.

Im Ministerium und im Glücksspielkollegium der Länder ist man sich also überaus bewusst: Die Prüfung der Unterlagen darf keine Schwächen und damit etwaige Angriffsfläche aufweisen. Genau das, also eine hieb- und stichfeste Prüfung, hat das Ministerium aber mit der zur Verfügung stehenden Zeit nicht hinbekommen, mutmaßen Beobachter. Es sei vielmehr völlig überfordert gewesen.

Zudem sei bereits mit der Auswahl der 14 Firmen zu den Anhörungen ein schwerer Fehler gemacht worden, da Branchengrößen wie etwa Bwin aus nicht nachvollziehbaren Gründen unberücksichtigt blieben. Um diesen Fehler wettzumachen, wird nun also einfach die zweite Runde der Prüfung wiederholt. Mit der Aufforderung zu Nachbesserungen können auch die anderen 27 Bewerber der insgesamt 41 Antragssteller der zweiten Runde wieder berücksichtigt werden. Alles auf Null quasi. Das wiederum dürfte die 14 Eingeladenen kaum freuen, deren sicher geglaubte Vorteile damit verpufft sind.

Erstmal Stillstand

Nach der E-Mail aus Hessen ist weiter unklar, wann die per Gesetz zum 1. Juli 2012 beschlossene Öffnung des Sportwettenmarktes mit einem Umsatz von mehreren Milliarden Euro Realität wird. Erst „voraussichtlich Anfang Januar“ soll es ein weiteres Schreiben geben, so das Ministerium. Dann würden weitere Unterlagen angefordert. Auch dadurch wirkt das Ganze wie ein dreister Versuch, mehr Zeit zu schinden.

Die betroffenen Sportwetten-Unternehmen, die schon viel Geld in die Bewerbungen gesteckt haben und sich weiter gedulden müssen bis sie legal richtig Gas geben können, wird es kaum aufmuntern, dass sie aufgrund der weiter ungelösten Rechtslage ihre Wetten auch ohne Lizenzen anbieten und mit Sponsoring dafür werben dürfen. Und es gefällt wohl nur Zynikern, dass zumindest auf lange Sicht ein Ende festgelegt wurde: Der Glücksspielstaatsvertrag sieht vor, dass die Lizenzen nur innerhalb der so genannten Experimentierphase vergeben werden dürfen – und diese endet Mitte 2019.

Andererseits ist auch das ein Grund zum Ärgern: Je später die Lizenzen ausgegeben werden, umso weniger Zeit bleibt, um mit ihr Geschäfte zu machen und die hohen Kosten für die Bewerbung wieder reinzuholen. Aber nicht nur den Firmen entgeht Geld, auch dem Fiskus, der bei einer Öffnung deutlich mehr Einnahmen hätte – wovon wiederum der Breitensport profitieren könnte. Hätte, wenn und aber – vorerst bleibt es alles wie es ist.

(Bildquelle: Lupo / pixelio.de)

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