DFB im moralischen Fiasko

Unglaublich, aber tatsächlich so: In Katar leiden und sterben Menschen bei Bauarbeiten für die WM 2022 und die verantwortlichen Sportfunktionäre ducken sich weg. Dabei sollte jedem klar sein, was Viola von Cramon, sportpolitische Sprecherin der Grünen, konstatiert: „Sotschi, Rio, Katar: Wie viele Skandale um Sportgroßveranstaltungen will sich die Weltgemeinschaft noch leisten, ehe klar wird, dass der Sport nicht frei von Politik ist?“ Und weiter: „Unter diesen Bedingungen ist Katar als Austragungsort unhaltbar.“ Und was sagt der DFB dazu?

Leider nichts. Schweigen im Walde. Auch von anderen europäischen Fußballverbänden ist kein Protest zu hören. Seltsamerweise traut sich stattdessen der Generalsekretär des WM-Organisationskomitees Hassan Al Thawadi selbstbewusst zu tönen: „Wir waren und sind absolut davon überzeugt, dass uns niemand die Weltmeisterschaft wegnimmt.“ Angst um die WM habe man niemals gehabt.

Blatter: Tote auf Baustellen? Ist doch normal.

Warum auch? Die derzeitige FIFA-Exekutive setzt ja schließlich alles daran, als verantwortungsloseste Sportfunktionäre der Geschichte einzugehen (noch mit Abstand zu den IOC-Mitglieder, die sich keinen Deut um die Menschenrechte in China und Tibet im Umfeld der Olympischen Spiele 2008 in Peking interessiert haben). Denn die Reaktion von FIFA-Präsident Sepp Blatter kann nur als verantwortungslos bezeichnet werden: „In jedem Land der Welt kann es passieren, dass es Todesfälle auf Baustellen gibt, insbesondere auf WM-Baustellen.“ Einem möglichen WM-Entzug erteilte der 77-Jährige eine klare Absage: „Wir wollten Katar, und wir ziehen das durch.“

Für von Cramon ist das Ganze ein Skandal. Sie stellt die Theorie auf, dass die bisherige Diskussion um eine Verlegung der WM in den Winter und die immer wieder aufkommenden Forderungen, die unter Korruptionsverdacht stehende WM-Vergabe zu revidieren, dazu beigetragen hätte, dass die Kataris die Bauarbeiten bei den WM-Stadien mit Hochdruck vorangetrieben und dabei menschenverachtende Arbeitsbedingungen in Kauf genommen hätten: „Offenbar wollen die Kataris mit aller Macht eine Fertigstellung der Stadien erreichen und damit Fakten schaffen“, sagt von Cramon. „Ich fordere ein Ende der Debatte durch den sofortigen Entzug der Weltmeisterschaften und die Verlegung in ein anderes Land. Neun Jahre vor dem Turnier bleibt noch genug Zeit für ein Umdenken.“

DFB schweigt

Dass von Cramon so reagiert, ist wenig verwunderlich. Die Grünen-Politikerin, die auch im Sportausschuss des Deutschen Bundestages sitzt, hat schon oft auf Missstände in Gastgeberländern von Sportgroßveranstaltungen angeprangert. Merkwürdig ist allerdings, dass bei solch krassen Berichten wie die des englischen Guardian oder des Internationalen Gewerkschaftsbundes kein Protest oder irgendeine Stellungnahme von den europäischen Fußballverbänden kommt. Nichts von Wolfgang Niersbach, nichts von Helmut Sandrock. Präsident und Generalsekretär des größten Fußballverbandes der Welt schweigen. Ganz große Zyniker werden dazu anmerken: Zu so etwas nichts zu sagen, ist auch schon wieder eine Leistung.

Aber im Ernst: Auf eine WM, für deren Ausrichtung Menschen gestorben sind (und tatsächlich haben die Kataris nur die veröffentliche Opferzahl zurückgewiesen und nicht, dass zu Todesfällen gekommen ist), kann sich kein Fußball-Fan freuen. Welcher halbwegs intelligente Mensch bringt es denn fertig, der deutschen Fußball-Nationalmannschaft beim Siegen in einem Stadion zuzujubeln, das unter derartigen Bedingungen erbaut worden ist?

Hier nochmal der Link zum sehr lesenswerten Bericht des Guardian: http://www.theguardian.com/world/2013/sep/25/revealed-qatars-world-cup-slaves

Und ein Link zu einem Interview mit Willi Lemke zum Thema beim Deutschlandfunk: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2274321/

 

 

(Bild: tokamuwi / pixelio.de)

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Trackbacks and Pingbacks

  1. Zwanziger kritisiert DFB und zweifelt an WM 2022 in Katar - 7. Oktober 2013 at 19:29

    […] Ich habe mich ja etwas länger darüber ausgelassen, dass sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zu den Missständen in Katar eigentlich kein Schweigen leisten kann. Dieser Meinung hat sich nun auch Theo Zwanziger angeschlossen und dies medienwirksam kundgetan. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung kritisierte der ehemalige DFB-Präsident und aktuelle Mitglied im Exekutivkomitee des Fußball-Weltverbands FIFA indirekt die Passivität des DFB. Auch zu dem weiteren Vorgehen der FIFA hinsichtlich der WM 2022 sagt Zwanziger ein paar interessante Dinge. […]

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